F ü n f t e r A b s c h n i t t
Die Notwendigkeit einer nicht-empiristischen Begründung
der Gesellschaftslehre
I. Die Fragestellung
Die Gesellschaftslehre als allgemeine Wissenschaft über den
gesellschaftlichen
Einzelwissenschaften
(wie
z.
B.
der
Volkswirtschaftslehre, Staatslehre) ist nur möglich, wenn sie in der
Gesellschaft als solcher einen eigenen Gegenstand hat — einen eigenen
Gegenstand gegenüber jenem, der in den „Bestandteilen“ der Gesellschaft
(den Menschen, den Gütern) gegeben ist und durch Psychologie, Biologie,
Technologie und so fort schon Bearbeitung findet.
Nun gibt es aber gesellschaftliche Wissenschaften, die nicht
Psychologie sind, wie z. B. die Volkswirtschaftslehre. Also zeigt der
Tatbestand der Wissenschaft, daß das Ziel a r t e i g e n e r
gesellschaftlicher Wissenschaften, und darum auch einer allgemeinen
Gesellschaftswissenschaft kein Phantom ist, daß die Mißerfolge der na-
turalisti- / schen Soziologie nicht zu entmutigen brauchen, sondern nur
beweisen, daß das Verfahren gesellschaftlicher Wissenschaft allein auf
nicht-empiristischem Boden zu erbauen sei. („Nicht-empi- ristisch“ heißt
dabei allerdings nicht, daß man auf Erfahrung verzichte. Was hier
abgelehnt wird, ist die B e a r b e i t u n g der Erfahrung durch das
mathematisch-physikalische Verfahren.)
Soll es eine Gesellschaftslehre geben, so kann sie nicht sein ohne
Gegenstand. Der Begriff der „Wechselwirkung“ aber gibt ihr keinen
eigenen Gegenstand, wie wir sahen, ja er nimmt ihn ihr. Wodurch nimmt
er ihn? Das gilt es nun, deutlich einzusehen.
Der B e g r i f f d e r W e c h s e l w i r k u n g n i m m t d e r
G e s e l l s c h a f t s l e h r e d e n G e g e n s t a n d d a d u r c h , d a ß
e r a l l e W i r k l i c h k e i t i n d i e l e t z t e n B e s t a n d t e i l e
d e r G e s e l l s c h a f t l e g t . Denn diese Be-