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plizierten h i e r a r c h i s c h e n Gliederung der gesellschaftlichen

Phänomene gerecht wird.

Von F r i e d r i c h v o n G o t t l - O t t l i l i e n f e l d haben wir

schon gesehen

1

, daß seine eigentliche Arbeit jenseits des Problems der

Verhältnisbestimmung der Objektivationssysteme liegt, weil sie

u n m i t t e l b a r auf eine erkenntnistheoretische Selbstbesinnung

geht. Hier wäre nur nochmals ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß

er der einfachen Koordination der Objektivationssysteme entgegen-

getreten ist und auf die grundsätzlich verschiedene Stellung dersel-

ben im Ganzen der Gesellschaft hingewiesen hat.

Eine von erkenntnistheoretischen und psychologischen Gesichts-

punkten ausgehende Untersuchung des Verhältnisses der Kultur-

gebiete oder Objektivationssysteme hat neuestens S i e g f r i e d

K r a u s unternommen

1

. Diese ist als Bestandteil einer prinzipiellen

(meines Erachtens bahnbrechenden) Kritik des historischen Materia-

lismus allerdings nur ganz allgemeiner, formaler Natur, für unser

Problem aber dennoch von Wichtigkeit. Sie kommt gegenüber dem

vom historischen Materialismus behaupteten Primat der Wirtschaft

zu dem Ergebnis, daß die einzelnen Bedürfnisarten, die den Objek-

tivationssystemen zugrunde liegen (z. B. das wirtschaftliche Bedürf-

nis, religiöse Bedürfnis usw.) nur hinsichtlich ihrer Entstehungszeit

und ihres Gehaltes an Erkenntniselementen voneinander g e n e -

t i s c h abhängig sein können — also nur in a k z i d e n t i e l l e n

Bestandteilen. (So daß also z. B. die Wirtschaft nur hinsichtlich der

Entstehungs z e i t und der besonderen intellektuellen Gestaltung

der anderen Bedürfnisse, die den anderen Objektivationssystemen

zugrunde liegen, den logischen Primat gegenüber diesen anderen

Objektivationssystemen erlangen kann.) In dem k o n s t i t u t i -

v e n Bestandteile des Bedürfnisses, dem Gefühlselement und dem

Begehrenselement, ist eine genetische Abhängigkeit nicht vorhanden

und somit kein prinzipieller Primat einer einzelnen Bedürfniskate-

gorie (beziehungsweise ihrer entsprechenden Objektivationssysteme)

möglich.

Dieser Gedankengang ist als psychologischer und erkenntnistheo-

retischer (für das Problem Individuum — Umwelt) gewiß völlig

1

Siegfried Kraus: Zur Erkenntnis der sozialwissenschaftlichen Philosophie,

herausgegeben von Richard Avenarius, Jena 1906.