Nach den ausführlichen und systematischen Darstellungen des
zweiten Kapitels verbleibt uns hier nicht mehr eine eigentliche Auf-
gabe der Darstellung, sondern nur eine solche des Überblickes.
Von einer eigentlichen Untersuchung und Bestimmung des grund-
sätzlichen Verhältnisses der unterschiedenen Teilsysteme zueinander
kann, wie wir gesehen haben, nur bei wenigen der dargestellten
Doktrinen wirklich die Rede sein. Am meisten hat sich W i l h e l m
D i l t h e y um das Problem bemüht. Er leitet die Kultursysteme,
wie wir oben sahen, aus Zwecktätigkeiten der Menschen ab, die
prinzipiell selbständig sind, in sich selbst ruhen; die Phänomene der
äußeren Organisation leitet er einerseits aus dem Willen zur Ge-
meinschaft, andererseits aus der generellen Notwendigkeit der Kon-
fliktsvermeidung ab. Hiermit ist grundsätzlich eine Basis für die
Verhältnisbestimmung der einzelnen Klassen von gesellschaftlichen
Erscheinungen gegeben. Indessen hat Dilthey — abgesehen von der
Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Prämissen hierfür — die eigent-
liche Durchführung der so erwachsenen und begonnenen Aufgabe auf
eine spätere erkenntnistheoretische Grundlegung verschoben, die bis
jetzt noch nicht erfolgt ist.
Von den Prämissen jener Basierung des Problems und von dieser
selbst haben wir oben schon gesehen, wie sie innerlich unzulänglich
sind. Diese Unzulänglichkeit ergab sich einmal wegen der einfachen
Koordination der Kultursysteme, sodann wegen des als prinzipiell
unzureichend aufgezeigten B e g r i f f e s vom Kultursystem und
wegen der Unhaltbarkeit der prinzipiellen Absonderung der äuße-
ren Organisation. Es ist leider auch nicht dasjenige Prinzip, das der
Unterscheidung der Kultursysteme untereinander zugrunde liegt,
die innere Bedingung eines Kultursystems, hinlänglich ausgenutzt
worden. Sind es nämlich generelle Z i e l e , welche einen Zweck-
zusammenhang bestimmen (bedingen), so verbleibt offenbar noch
die prinzipielle W e c h s e l b e d i n g t h e i t der einzelnen Ziele
zueinander zu untersuchen — ein Problem, das nur in der Ana-
lysis der Zweckzusammenhänge und der funktionalen Verknüpft-
heit der Ziele des Handelns überhaupt liegt, n i c h t a b e r i n
d e r e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h e n S e l b s t b e s i n n u n g .