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ferner der Gegensatz im Begriffe des Kollektivdinges oder des Ganzen liege,

das entweder von den Teilen aus (Summe, Scheinganzes), oder von der Ganzheit

aus (echtes Ganzes) erklärt werden kann

1

. — Wer unseren früheren Gedanken-

gängen gefolgt ist, für den ist jede weitere Bemerkung darüber überflüssig.

Ich füge hier noch folgendes hinzu: daß der Gegensatz in der Tat für die

Gesellschaftslehre theoretisch verbindlich und grundlegend ist, beweist die

Notwendigkeit seiner Anwendung auf jeden Grundbegriff jeder gesellschaft-

lichen Wissenschaft. Im obigen haben wir nur die Anwendung für die Bau-

gesetze oder politischen Grundsätze Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und so

fort gezeigt. Wir haben damit die theoretischen Grundbegriffe jeder praktischen

Politik und die gesellschaftswissenschaftliche Grundlage für eine Zergliederung

des Parteiwesens jedes Staates, Volkes und jeder Zeit kennengelernt. An anderer

Stelle habe ich in der Volkswirtschaftslehre nachgewiesen, daß kein Grundbegriff

für sich dasteht, sondern jeder nur als individualistischer oder universalistischer

faßbar ist. Im zweiten Teil dieses Werkes wird für manche andere Grundbegriffe

derselbe Beweis erbracht werden

2

.

2.

Einwand: Wer Individualismus und Universalismus einander

ausschließend gegenüberstellt, übertreibe. Dieser Gegensatz beruhe

nur auf einer Abstraktion.

Dieser Einwand entspricht dem relativistischen Denken unserer Zeit, wie

ja auch der ganze Liberalismus vor dem Kriege eine recht dünne Wassersuppe /

war. — Ich lasse hier einen Vertreter, der außerhalb unseres Faches steht, spre-

chen. Elkuß schreibt: „Der Widerspruch zwischen Individualismus und Univer-

salismus ist nur scheinbar.“

3

Wie begründet er aber diesen ungeheuerlichen

Satz? Er sagt: „Jeder Blick auf die Geschichte des Urchristentums und der

alten Kirche oder auf die Entstehung der Stoa lehrt, daß beides oft zusammen

auftritt.“ Diese Tatsache dürfte nur schwerlich jemand leugnen, es folgt aber

daraus, daß zwei widerspruchsvolle Dinge zusammen auftreten, nicht, daß sie

sich nicht widersprechen. — Ähnlich wie Elkuß äußern sich die meisten andern.

Leopold von Wiese z. B. hat die Güte, die Unterscheidung „verstaubt“ zu

nennen, „bloße Rhetorik“, ja „atavistischen Unsinn“

5

. Robert Saitschik benennt

ein Buch „Der Staat und was mehr ist als er“

6

und bringt damit zum Ausdruck,

daß der Universalismus Grenzen habe, daß die „Aufopferung“ für den Staat

nicht zu weit gehen dürfe.

Es ist aber nicht „übertrieben“, sondern nur logisch richtig, wenn man den

Individualismus so denkt, daß man ihm den Begriff des „absoluten Einzelnen“

als einen wesensnotwendigen zuschreibt. Praktisch mag wer immer mit Aus-

gleichungen und Mischungen zwischen beiden Lehren sich bemühen, davon

ist hier nicht die Rede, sondern es gilt:

1

Siehe oben S. 75 ff. und 163 ff.

-

Siehe z. B. „Stand und Klasse“, unten S. 283 ff. und 461 ff., „Verband und

Anstalt“, unten viertes Buch, S. 513 ff.

3

Siegbert Elkuß: Zur Beurteilung der Romantik und Kritik ihrer Erfor-

schung, München 1918, S. 37 (= Historische Bibliothek, Bd 39).

4

Siegbert Elkuß: Zur Beurteilung der Romantik .. ., S. 37.

5

Leopold von Wiese: Dietzels „Individualismus“, in: Kölner Vierteljahrs-

hefte für Sozialwissenschaften, Jg 2, Heft 1, München und Leipzig 1922, S. 53.

6

Robert Saitschik: Der Staat und was mehr ist als er, München 1922.