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Erscheinung jeder geschichtlichen Gesellschaft — das alles ist von Grund auf

verirrt. D u r c h U n t e r d r ü c k u n g w i r d G e s e l l s c h a f t z e r s t ö r t ,

n i c h t g e s c h a f f e n ! Der Unterschied der Stände ist vielmehr seinem Wesen

nach ein gesunder, tief begründeter, der aus den S a c h e r f o r d e r n i s s e n

d e s L e b e n s g a n g e s e i n e r G e s e l l s c h a f t h e r v o r g e h t und der

auf Gegenseitigkeit angelegt ist, nicht auf Kampf. Kampf ist hier Entartung,

Krankheit. Stand oder „Klasse“ kann daher nie wesenhaft durch Unterdrückung

und Kampf entstehen noch bestehen, die Geschichte nicht durch sie bestimmt

sein

1

.

Wie aus allem Bisherigen hervorgeht, muß die Frage nach der

Entstehung und Grundlage dessen, was man individualistisch Klasse,

universalistisch Stand nennt, im universalistischen Sinne lauten:

W e l c h e g e i s t i g e n G e m e i n s c h a f t e n s i n d d i e

G r u n d l a g e f ü r d i e h a n d e l n d e n S t ä n d e ? Es liegt

hier schon in der Fragestellung: daß die Idee und Ideenbewegung die

Standesbildung in der Geschichte beherrsche. Ich habe diese Frage

in meinem Buch: „Der wahre Staat“, 2. Auflage, Leipzig 1923, aus-

führlich behandelt und muß hier darauf verweisen. Meine Unter-

suchungen führten zur folgenden allgemeinen Gliederung der

Stände:

(1)

Die Handarbeiter, die auf einer sinnlich-vitalen Geistigkeit

gründen;

(2)

die höheren Arbeiter, die, als Kunstwerker und niedere gei-

stige Arbeiter untergeteilt, bereits stufenweise an einem jeweils

höheren geistigen Leben teilnehmen;

(3)

die Wirtschaftsführer, die, obzwar geistig meist nur im Be-

reiche der Hand- und Kunstwerker bleibend, doch wirtschaftlich-

organisatorisch ein schöpferisches Wesen entfalten;

(4)

die Staatsführer, deren schöpferische Kraft in ihren sittlich-

organisatorischen Taten liegt und denen sich die Führer der Kirche

und des Kriegswesens beigesellen;

(5)

endlich die rein schöpferischen Menschen, die Weisen, der

eigentliche und höhere Lehrstand, dessen Schöpfungen die Welt

bestimmen. Diese Schöpfungen werden zuerst von einem vermit-

telnden, nachschöpferischen geistigen Stand weitergegeben und auf-

bewahrt

2

.

1

Vgl. darüber auch unten unter Staat, S. 6o6 ff.

2

Vgl. mein Buch: Der wahre Staat, 2. Aufl., Leipzig 1923, S. 209 ff. [4. Aufl.,

Jena 1938, S. 169 ff.].