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4. Die E i g e n s c h a f t e n d e s S t a n d e s

Treten wir in die Be- / trachtung der Eigenschaften des Standes

als eines Teilganzen der Gesellschaft ein, so ergibt sich folgendes.

Eine Grundtatsache, ein Grundgesetz alles Ständewesens ist die

r a n g o r d n u n g s m ä ß i g e S c h i c h t u n g in höhere und

niedere. Auch wenn die ständischen Erscheinungen individualistisch

als „Klasse“ gefaßt werden, gilt dieses Gesetz.

Die wesensgemäße Rangordnung jener Stände ist es vor allem, die

uns die Eigenschaften des Standes als eines Teilganzen der Gesell-

schaft offenbart.

Fürs erste zeigt der rangordnungsmäßige Aufbau der Stände

(beziehungsweise selbst der „Klassen“ im individualistischen Sinne)

das Gesetz: daß jeder niedere Stand geistig im jeweils höheren be-

f a ß t ist (zum Beispiel die Mannschaft im Offizier, der Priester im

Bischof, der Arbeiter im Ingenieur und Unternehmer). Daraus

folgt: daß der niedere Stand geistig vom jeweils höheren geführt

werde — dies nach dem weiteren Lebensgesetz aller geistigen Ge-

meinschaft, das man so fassen kann: „Unterordnung des geistig

Niederen unter das geistig Höhere.“

1

Daher gilt: Nur sofern die

unteren Stände an den höchsten geistigen Gütern der geistig füh-

renden Stände in ihrer Weise Anteil nehmen, sind sie Stände im

wesenhaften Sinne — wenn nicht, sind sie Abgestorbenes, sind sie

Fremdkörper in der Gesellschaft, abgesonderte Sklavenhaufen.

Dies führt endlich zu einer anderen Grundeigenschaft des Standes,

die wir Stellvertretung und wechselseitige Durchdringung der

Stände nennen können. Dem Begriffe des Standes nach gilt der

Satz: Jeder Stand ist in gewissem Maße auch der andere Stand. So

wenn der Bürger zum Schwerte greift, er dadurch Krieger wird (all-

gemeine Wehrpflicht!), wenn alle zur gemeinsamen Urne schreiten

(politischer Stand) oder in der wirtschaftlichen Gliederung eine

Umstellung, ein Wechsel der Verrichtungen eintritt

2

. — Die Stell-

vertretung oder Durchdringung der Stände liegt in ihrer Hinord-

1

Vgl. mein Buch: Der wahre Staat, 2. Aufl., Leipzig 1923, S. 228 [4. Aufl.,

Jena 1938, S. 176].

2

Vgl. mein Buch: Der wahre Staat, 2. Aufl., Leipzig 1923, S. 250 ff.

[4. Aufl., Jena 1938, S. 195 ff.]; ferner mein Buch: Fundament der Volks-

wirtschaftslehre, 4. Aufl., Jena 1929, S. 106 ff. („Die Vertretbarkeit aller Leistung

und die Rücklage“).