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Damals, zur Zeit der Entstehung des Faschismus, war die Gefahr

des marxistischen Bolschewismus, wie er sich von Moskau ausbrei-

tete, die größere. Heute ist die größere Gefahr der Rückfall in die

liberale Gedankenwelt von 1789. Und darum müssen wir uns zuerst

darüber klar werden, wie Staat und Wirtschaft aussehen, wenn sie

von diesen Ideen bestimmt sind.

Wundern Sie sich nicht, wenn ich die Frage so rein theoretisch

stelle. In der Geschichte sind es zuletzt immer die großen Staats-

und Gesellschaftsgedanken, welche den Gang der Dinge bestimmen.

Ohne gründliche Kenntnis seiner Gedanken ist der Gegner nie zu

besiegen! Zumal wir alle in diesen Gedanken erzogen wurden. —

Ich entwickle daher zuerst ausführlicher

die individualistische Auffassung von Staat und Wirtschaft:

Das Wesen der Ideen von 1789 ist der Individualismus. Der

Individualismus wieder gründet sich auf den Gedanken der Autar-

kie, das heißt der geistigen Selbstbestimmtheit, des Auf-sich-selbst-

Gestelltseins des Individuums. Die politische Ausmünzung des

Autarkiebegriffes führt zu dem Begriffe der grenzenlosen Freiheit,

welche die einzelnen Menschen im vorstaatlichen Zustande gehabt

haben sollen, dem sogenannten Naturzustande. — Indem die In-

dividuen aus dem angeblichen Naturzustande heraustreten, schlie-

ßen sie den Urvertrag. In diesem verzichten sie auf einen kleinen

Teil ihrer / Rechte (nämlich dem andern Leben und Eigentum

zu nehmen), um den Rest derselben, ihre „Freiheit“, um so sicherer

zu genießen (Individualistisches Naturrecht). Sie setzen einen Herr-

scher ein, der, mit Machtmitteln ausgestattet, über die Einhaltung

des Urvertrages wacht — und so entsteht der Staat. Darum heißt

der Urvertrag auch Staatsvertrag. In diesem Vertrage liegt:

(1)

daß eine einzige Herrschergewalt eingesetzt wird;

(2)

daß der Wille des Herrschers, und damit des Staates, sich

vom Willen der Bürger ableitet;

(3)

daß die Bürger immer wieder aufs neue ihren Willen kund-

geben müssen (oder können). Dadurch entsteht die W a h l , in wel-

cher der Staat erneuert, der Herrscher neu eingesetzt wird — und

damit haben wir den liberal-demokratischen Staat der Gegenwart.