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Einer der Hauptgedanken, die ich hier vertreten muß, ist: daß

es unbedingt nötig ist, dem geschlossenen Gedankengebäude des

Individualismus ein anderes, ebenso geschlossenes Gedankengebäude

des Anti-Individualismus entgegenzustellen, und daß anders der

endgültige Sieg nicht erfochten werden könne! Das halten nun

wohl viele unter Ihnen nicht für nötig, da sie bisher aus Instinkt

und Eingebung handelten und mit den aus unmittelbaren Impulsen

des Staats- und Wirtschaftslebens geschöpften Taten große Erfolge

erzielten.

Richtig, aber ich behaupte: Auf die Dauer kann es nicht dabei

bleiben, auf die Dauer müßten bei der bisherigen reinen Tat-Ein-

stellung Mißerfolge / und Rückschläge eintreten. Schon allein des-

wegen, w e i l d e r l i b e r a l e u n d m a r x i s t i s c h e G e g n e r

t h e o r e t i s c h w o h l g e r ü s t e t d a s t e h t !

Ich habe die Ehre, in einem Lande zu sein, wo der erste p o l i -

t i s c h e Vorstoß gegen den Individualismus gemacht wurde. Aber

es zeugt von der Verteilung der weltgeschichtlichen Aufgaben der

Völker ebenso wie von einer gewissen Ergänzung italienischer und

deutscher Kultur, daß der erste g e i s t i g e Vorstoß von der deut-

schen Wissenschaft gemacht wurde. Schon im Jahre 1920 habe ich

in meinen Vorlesungen an der Wiener Universität das Bild eines

w a h r e n S t a a t e s theoretisch gezeichnet, eines Staates, der nicht

individualistisch, nicht demokratisch, nicht auf politische Parteien

aufgebaut und in der Wirtschaft nicht liberal-kapitalistisch ist. Daß

eine umfassende theoretische Begründung eines solchen Staates nötig

ist, wird heute auch in einem solchen Lande, wie Italien es ist, nicht

mehr bezweifelt werden, wo zwar die praktische Tat zuerst ohne

alle Theorie, nämlich aus unmittelbarer politischer Notwendigkeit,

erfolgte; wo aber doch immer mehr die Aufgaben des weiteren Aus-

baues zeigen, wie unentbehrlich theoretische Grundsätze sind.

W e n n e s w i r k l i c h d i e g e s c h i c h t l i c h e A u f g a b e

d e s J a h r h u n d e r t s i s t , d e n I n d i v i d u a l i s m u s u n d

M a r x i s m u s z u v e r n i c h t e n , d a n n m u ß I d e e g e -

g e n I d e e s t e h e n . Die Entwicklung grundlegender Lehrbe-

griffe ist daher unbedingte Notwendigkeit. Dies wird ja auch heute

in der italienischen Staatslehre zum Teil schon erkannt, wofür der

Name Costamagna Zeugnis gibt.