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Das erste der anti-individualistischen, der g a n z h e i t l i c h -

s t ä n d i s c h e n T h e o r i e d e r G e s e l l s c h a f t ist, daß sie

nicht vom Einzelnen, sondern von der Gemeinschaft ausgeht. Der

Einzelne ist ihr nicht für sich allein denkbar, sondern seinem Wesen

und Begriffe nach nur in Gemeinschaff (in Gezweiung). Der Einzelne

setzt darnach die Gemeinschaft nicht (mit andern) zusammen, sie

ist ihm kein summatives Nebeneinander, wie ein Steinhaufen, son-

dern der Einzelne ist G 1 i e d der Gemeinschaft. — Daher ist zwei-

tens auch das Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen (zur Gesell-

schaft) kein bloß äußeres, utilitaristisches, kein Werkzeugliches, son-

dern ein geistig-sittliches. Denn die Daseinsbedingungen des Ganzen

sind auch seine eigenen Daseinsbedingungen. Das Ganze hat diesel-

ben Daseinsbedingungen wie das Glied. Das Ganze hat demgemäß

auch den Vorrang (Primat), das Ganze ist vor dem Gliede.

Ist die Gemeinschaft aber keine atomistische Summe: dann ist

sie auch kein u n g e g l i e d e r t e s Ganzes. Vielmehr ist sie wieder

in sich gegliedert. Denn das Organische ist nicht homogen, und das

Homogene ist nicht organisch. Es sind nun m e h r e r e L e b e n s -

k r e i s e , m e h r e r e G e m e i n s c h a f t s k r e i s e , welche die

Gesellschaft bilden. Die Religionsgemeinde, das Kunstleben und Wis-

senschaftsleben, das wirtschaftliche Leben, das Staatsleben sind solche

arteigenen Gemeinschaften oder Gezweiungen von arteigenen Le-

bensinhalten.

Hiermit haben wir aber eine grundlegende und entscheidende

Tatsache vor uns: Wenn diese Lebens- oder Gemeinschaftskreise

als s o l c h e o r g a n i s i e r t sind, dann bilden sie die Stände.

S t ä n d e o d e r K ö r p e r s c h a f t e n / i m w e i t e r e n

S i n n e s i n d o r g a n i s i e r t e G e m e i n s c h a f t e n o d e r

o r g a n i s i e r t e S y s t e m e d e s H a n d e l n s : also Organi-

sationen jener Menschen, welche verhältnismäßig gemeinsame Le-

bensaufgaben haben, das heißt aber gemeinsame Verrichtungen im

Verrichtungsgebäude der Gesellschaft.

Aus der Gegliedertheit der Gesellschaft folgt aber grundsätzlich

der d e z e n t r a l i s t i s c h e A u f b a u des Gemeinwesens:

der Staat (mit seinen Untergliederungen, besonders von Heer

und Beamtenschaft),

die Kirche,

die Wirtschaft (um nur diese als Beispiel zu nennen) sind Stände.