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aber an das, was wörtlich gesagt ist, „äußeres oder innerliches Tun“,

dann soll nach Max Weber, wie ja nach manchen anderen Soziolo-

gen der naturalistischen Richtung, die kausaltheoretisch gedachte

Psychologie grundsätzlich ein Bestandteil der Soziologie sein — dies

aber wieder trotz der ausdrücklichen Verwahrung auf Seite 9, die

jedoch selber gleich auf derselben Seite mit dem Begriffe des „Mo-

tives“ in Widerspruch kommt!

/

In der angeführten Begriffsbestimmung streiten sich in der Tat

alle jene Elemente, die in Max Webers nachgelassenen Entwürfen —

um mehr handelte es sich nicht, wenn man dem ruhlos tätigen

Manne nicht Unrecht tun will — gleichfalls im hellen Widerspruch

zu finden sind. Doch ist kein Zweifel, daß ihm der kausale Gesichts

punkt der durchschlagende und herrschende war! Denn trotzdem

er zugleich strebte, das Verstehende, Normative, Nichtkausale und

Individuell-Geschichtliche in seine Soziologie hinein zu verweben,

blieben ihm die gesellschaftlichen Erscheinungen schließlich immer

ein System kausaler Beziehungen. In diesem Streben, das Sinnvolle,

Nichtkausale aufzunehmen, ging er über die landesübliche, natura-

listische und über die nach-Comtische französische und englische So-

ziologie hinaus; sein Ziel erreichte er jedoch leider nicht. Wo er sich

einmal klar und bestimmt auf den methodologischen Boden der Kau-

salität stellte, gehörte er dann sogar zu den entschiedensten Empiri-

sten, um nicht zu sagen Skeptikern. „Die ,Gesetze',“ sagt er, „als

welche man manche Lehrsätze der verstehenden Soziologie zu be-

zeichnen gewohnt ist — etwa das Greshamsche ,Gesetz' — sind

durch Beobachtung erhärtete typische C h a n c e n eines bei Vor-

liegen gewisser Tatbestände zu g e w ä r t i g e n d e n Ablaufes von

sozialem Handeln .. .“

1

Abgesehen nun davon, daß hier wieder

der v e r s t e h e n d e n Soziologie ein mechanisches Gesetz mit

naturwissenschaftlicher Wahrscheinlichkeit zugeschrieben wird —

zeigt sich jetzt, wie Max Weber den Ursächlichkeits- und Gesetzes-

begriff eigentlich faßt: Wir haben hier einfach den Humeschen Be-

griff der Erwartung und der Wahrscheinlichkeit, womit der krasseste

Empirismus bei dem sonst geistvollen Gelehrten einkehrt! Unbe-

greiflich ist, wie er es dabei fertig bringt, sich wenige Zeilen später,

sowie in der kurz vorhergehenden Schriftenangabe, auf R i c k e r t

1

1

Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 9.