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schiede der Ausgliederung anderer Art: sie sind alle sinnvoll auf-

einander hingeordnet, abgestimmt. Und noch mehr: sie sind nur

in Gezweiung, in Gegenseitigkeit; die Gegenseitigkeit oder Ge-

zweiung aber ist Sein-gebend, ist schöpferisch. Hieraus folgt:

U n t e r s c h i e d w i r d i n W a h r h e i t n i c h t a n U n -

t e r s c h i e d d e u t l i c h , o h n e d a ß b e i d e U n t e r -

s c h i e d e i n e i n e r ü b e r h ö h e n d e n G a n z h e i t b e -

f a ß t w e r d e n , rot wird nicht an grün deutlich, ohne daß sie

beide als g l i e d h a f t gesetzt würden.

Zweitens ist es auch nicht nötig, die Unterscheidungen (Diffe-

renzen) als „Verneinungen“ (Negationen), als kontradiktorische

„Gegensätze“ zu fassen, deren Fruchtbarkeit mit Recht und von

Hegelschülern selbst angefochten wurde, so daß diese Gegensätze

in ihrer Eigenschaft als reine Verneinungen, als k o n t r a d i k t o -

r i s c h e Widersprüche abgeleugnet wurden

1

. Hierin zeigte sich

zweifellos eine Schwierigkeit der Fichte-Hegelischen Dialektik. Wä-

ren nämlich die Gegensätze formell keine reinen Verneinungen,

dann / verlöre das Verfahren die Fähigkeit der Ableitung (wie sich

früher zeigte), denn es wäre kein Weg mehr da, der erlaubte, rein

entwerfend die Aufspaltungen aus einem Anfangsbegriffe abzulei-

ten. Wenn nicht mehr: rot—nichtrot (kontradiktorisch), sondern:

rot, grün und andere Farben einander entgegengesetzt werden,

dann kann sowohl grün als rot usw. in Betracht kommen. Die

„deduktive Konstruktion“ versagt in dem Maße, wie man die Ge-

gensätze als „konträre“ oder „reale“ faßt, das heißt aber, als ein-

ander bedingende oder ergänzende Gegensätze. S o b a l d d e r

G e g e n s a t z n i c h t m e h r d u r c h l o g i s c h e S e t -

z u n g s s c h r i t t e g e f u n d e n w i r d , m u ß e r v i e l -

m e h r a u s d e r s a c h l i c h e n Z e r g l i e d e r u n g d e r

j e w e i l i g e n E r g ä n z u n g e n g e f u n d e n w e r d e n —

aus der sachlichen Natur der Gegebenheiten, der Ganzheiten. Denn

die gegebenen Dinge sind, wenn sich in ihnen Ergänzungen, Ent-

sprechungen, und sei es auch durch Widersprüche hindurch, finden,

gegliedert, ganzheitlich gefügt, also Ganzheiten.

Damit ist aber das ganzheitliche Verfahren als der geheime Sinn

des dialektischen ausgewiesen.

1

Siehe oben S. 311 f.