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in der Reihe Setzung—Gegensetzung—Ineinssetzung das, was als
das logisch Frühere am Anfange stehen sollte, die Ineinssetzung
(Synthesis), am Ende steht. (Ein Einwand, den ich an anderer Stelle
näher entwickelte.) Denn die Ineinssetzung (Synthesis) der Gegen-
sätze geschieht in der Dialektik später, sie folgt logisch auf Setzung
und Gegensetzung, die als das Leerere vorangehen müssen.
Nichts hat wohl die Vertiefung und richtige Handhabung der
Dialektik und ihre Fortführung zur ganzheitlichen Zergliederungs-
kunst so sehr gehemmt wie der schlechte Ausdruck „Synthesis“, der
die „Setzung“ nicht nur genetisch, sondern auch logisch voranstellt
und dadurch das Ganze (die „Synthesis“) fälschlich aus den Gliedern
z u s a m m e n s e t z t , statt die Glieder aus dem Ganzen / h e r -
v o r g e h e n zu lassen. Im ganzheitlichen Verfahren dagegen
braucht die „Synthesis“ nicht n a c h t r ä g l i c h zu erfolgen. Denn,
wenn alle in Gegenseitigkeit (Gezweiung) erscheinenden Gegensätze
sich nur gliedhaft, das ist als Entsprechungen unterscheiden, so steht
damit das Ganze als Einheit voran, es ist die Ableitung der Unter-
schiede aus der (angeblichen) „Synthesis“, die nun in Wahrheit
als die G a n z h e i t voran steht, von selbst gegeben, denn die
Ganzheit ist es nun, die sich ausgliedert. Da die Ganzheit als solche
aber nicht erscheint, ist sie gleichsam als die v e r b o r g e n e S y n -
t h e s i s dadurch in den Gliedern, daß beide Glieder nicht ohne
einander zu sein vermögen, daß also ihre „Gegensätze“ (Differen-
zen) nur Entsprechungen darstellen. Und auch diese Entsprechungs-
unterschiede müssen sie in Gegenseitigkeit selbst e r z e u g e n , wie
z. B. Führer und Geführte im Heere, Eltern und Kinder in der
Familie ihre Eigentümlichkeit nur s c h a f f e n d aus dem Ge-
schaffenwerden (durch Sach- und Lebenserfordernisse von Heer und
Familie) entwickeln.
Daß die Ganzheit logisch voran steht, somit logisch vor den Tei-
len ist (in denen sie nicht untergeht, sondern trotz der Ausglie-
derung bei sich selbst bleibt), bedeutet für die ausgegliederten Glie-
der: daß sie ihr Sein nicht nur in der Erscheinungsform der Aus-
gegliedertheit, nicht nur in der sinnlichen Ebene, haben; sondern
daß dieses ihr sinnliches Mit-sich-selbst-gleich-sein nur möglich ist,
indem sie außerdem im Ganzen befaßt, das heißt rückverbunden
bleiben. Also haben sie neben dem selbstgleichen auch r ü c k v e r -
b u n d e n e s S e i n . Dieser Punkt muß genauer betrachtet werden.