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entweder Geschichte werden (geschichtliche Schule von Wilhelm Ro-
scher bis Gustav Schmoller!) oder die abstrakte Isolierung der Wirt-
schaft zu behaupten suchen (Ricardo-Schule, Grenznutzenschule).
Adam Müller war vergessen, ungekannt, und doch hätten alle jene
bei ihm das finden können, was ihnen fehlte, das „Geheimnis der
Gegenseitigkeit“, den rechten Begriff von Ganzheit. Ihm war dieser
höhere Begriff gegeben, als ein fester Halt, eine Intuition, die ihn
nie verließ, die ihm der Nordstern, der Angelpunkt war am Himmel
seiner Gedanken.
Dem heutigen Jünger der Volkswirtschaftslehre wird es freilich
schwer fallen, die richtigen Anknüpfungspunkte an Adam Müller
zu finden. Seine Ansichten sind ihm, der an genaue Tatsachen, scharfe
Formulierungen, bestimmte geschichtliche Quellen, feste Zahlen und
Statistiken gewöhnt ist, zu allgemein, zu verschwommen. Und ge-
wiß nicht ganz mit Unrecht. Adam Müller bietet selten den aus-
gearbeiteten Begriff und dessen genauen Zusammenhang mit jenem
Begriffsgebäude, das der Inbegriff einer Wissenschaft sein soll. Er
bietet aber, was mehr ist, weil das Köstliche, das dem Menschen ge-
schenkt wird, das intuitive Erschauen des Wesentlichen, den ersten
aber schwersten Anfang, die innerste Wirklichkeit des zu Begreifen-
den. Man versuche nur einmal das Wesen des Reichtums, der Pro-
duktivität, des Geldes, des Zinses, der Steuer bei Adam Müller zu
erfassen — und die Brücke zu der (mit Recht geforderten) streng
begrifflichen Denkweise wird geschlagen, der Weg wird bald gefun-
den sein. Wichtig ist dabei, zu beachten, wie Adam Müller den Be-
griff der „Gegenseitigkeit aller Verhältnisse“, der Ganzheit, gehand-
habt hat. Ein Beispiel dafür biete seine Art, das Wesen des Geldes
zu erfassen. Geld ist ihm nicht ein Stück Metall, ein Ding, eine Ware
für sich, sondern etwas, das Verknüpfung und Auseinandersetzung
der Wirtschafter und der Wirtschaftsgebilde in sich schließt, also
vornehmlich eine bestimmte Art des V e r b i n d e n s der (ein-
zelnen) Dinge zum Ganzen. Wer von Geldlehre etwas versteht, wird
einsehen, daß Adam Müller damit ins Schwarze getroffen hat. Ein
anderes Beispiel biete die Art, wie er das Bedingtsein jeder einzelnen
Erzeugungshandlung durch die Gesamtheit aller andern, das Ein-
gebettetsein derselben im Ganzen des Erzeugens erschaut; nicht sei-
nem Wesen nach als „Arbeitsteilung“, wo jede Handlung als sou-
verän für sich gedacht wird (so lernen wir’s im Geiste Smithens noch