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hanges und des Wesentlichen bedeutet. Um in den gesellschaftlichen
Wissenschaften zum Begriffe vorzudringen, ist ein Innewerden des
Wesenhaften nötig, des Treibenden in der menschlichen Natur selbst,
als auf welcher Gesellschaft, Wirtschaft und Geschichte zuletzt be-
ruht. Nicht das Gewöhnliche und Hausbackene reicht hin, um in
gesellschaftlichen Dingen das Erstwesentliche zu bestimmen, noch die
größte Fülle des Wissensstoffes; sondern es bedarf einer inneren Tat
der Nacherzeugung des Lebens, soll das Heraufquellende, Maß-
gebende desselben erkannt werden; und dieses ist nicht etwa als ein
bloß Subjektives, nur der eigenen Persönlichkeit Anhaftendes zu ver-
stehen, sondern als Bestimmung eines Objektiven, des „objektiven
Geistes“. Dies lehrte schon der göttliche Schelling (der freilich auch
von dem Hochmut des heutigen Zeitalters vergessen ward), indem er
sagte: „Durch innerliche Scheidung und Befreiung muß das Licht der
Wissenschaft aufgehen, ehe es leuchten kann.“
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Die gegensätzlichen Gesellschaftserklärungen des Individualismus
und Universalismus bestimmen das Gepräge und die Begriffsgestal-
tung sämtlicher, selbst der beschreibenden gesellschaftlichen Wissen-
schaften. Unsere gegenwärtigen Lehrgebäude sind fast durchwegs
individualistisch bestimmt, zumeist sogar ohne daß sie es wissen. Die
individualistischen Klassiker sind demgemäß auch mehr bekannt und
zugänglicher als die universalistischen. Namentlich Heinrich Waen-
tig hat sich durch seine „Sammlung sozialwissenschaftlicher Meister“
(Fischer, Jena) ein großes Verdienst erworben und die individuali-
stischen Klassiker Smith, Ricardo, Malthus, Turgot, Comte und
andere wieder in neuen Übersetzungen vorgelegt. Aber auch die
„Bibliothek“ von Stöpel und Prager (Verlag R. Prager, Berlin) und
die ältere Sammlung von Brentano und Leser (Duncker & Hum-
blot, Leipzig, 1893 ff.) enthält manches Wertvolle. — Auf diese
Weise ist der Rahmen der „Herdflamme“ zunächst etwas eingeengt,
doch bleibt noch das Wichtigste zu tun übrig, vor allem die Grund-
werke der universalistischen Meister zu neuem Leben zu erwecken.
Von diesen sind manche nicht einmal übersetzt, viele vergriffen und
unzugänglich. Daher wird die Sammlung eröffnet durch die beiden
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Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Weltalter (1816), Sämtliche Werke,
Bd 1, Stuttgart 1856, S. 201. Die Stelle hat freilich auch noch einen anderen,
nämlich naturphilosophischen Sinn.