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Blatte, dem „Abend“, wurde ich damals als „romantischer Blut-

hund“ bezeichnet.

Mir taten diese Angriffe in ihrem Ü b e r m a ß e leid, weil ich

selbst nie aus der reinen Ideenwelt herausgetreten war und mich

auf eine Ebene des Kampfes herabgezogen sah, auf der ich den Geg-

nern einfach nicht folgen konnte. Ein rein theoretisches, soziolo-

gisch-philosophisches System kann unmöglich auf das mit derben

Waffen zuschlagende politische (damals noch parlamentarische)

Kampfgetriebe eingehen. Ich habe mich zwar in einzelnen Fällen,

wo der Kampf wenigstens einigermaßen wissenschaftliche Gestalt be-

wahrte, zur Auseinandersetzung entschlossen und bin gegen die par-

teiischen Angriffe der liberalen Soziologen, insbesondere aber des

Kommunisten Max Adler auf dem deutschen Soziologentage zu Wien

1926 in einem Aufsatze „Ein Wort an meine Gegner“ aufgetreten

1

;

ich habe mich auch gegen die Jesuitenpatres Gundlach und Nell-

Breuning (Pater Gundlach nannte meine Kennzeichnung seines

„Solidarismus“ ein „Verbrechen“!) in einem Aufsatze „In eigener

Sache“ gewehrt

2

— in den politischen Tageskampf, in Presse- oder

gar in Versammlungsfehden habe ich nie eingegriffen. Nicht aus

Gleichgültigkeit, denn schließlich können ehrenrührige Angriffe, zu

denen es oft genug kam, niemanden gleichgültig lassen — sondern

weil die strengen Begriffe einer Wirtschafts- und Staatstheorie ein-

fach nicht tauglich sind, den demagogischen Tagesbedürfnissen zu

entsprechen; weil noch weniger die soziologische Theorie fähig ist,

in die Kleinmünze des Parteien- und Klüngelzankes umgeprägt

zu werden; vor allem aber auch, weil es nicht anging, auf all die

tausend Entstellungen und Mißverständnisse dieser Angriffe tau-

sendundeinmal zu antworten: Ihr habt ja meine Lehren nicht ver-

standen, meine Bücher nicht gelesen, eure Geschosse gehen daher zu

tief und erreichen mich nicht; um mich zu bekämpfen, müßtet ihr

mich verstehen — und verstehen wollen!

Aber ich begriff, meine Kritik rührte an die faulen Wurzeln der

Zeit, und darum mußte die Zeit sich wehren. Sollte ich mich dar-

1

Othmar Spann: Ein Wort an meine Gegner, in: Kölner Vierteljahreshefte

für Soziologie, Jg 6, Heft 4, München und Leipzig 1927, S. 311 ff.

2

Othmar Spann: In eigener Sache, in: Ständisches Leben, Jg 2, Berlin und

Wien 1932, S. 330 ff., jetzt wieder abgedruckt in: Kämpfende Wissenschaft,

2. Aufl., Graz 1969, S. 109 ff. (= Gesamtausgabe Othmar Spann, Bd 7).