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Man sieht auf den ersten Blick, daß diese Gegenüberstellungen
weder logisch noch ontologisch Gegensätze im Sinne von Wider-
sprüchen enthalten. Sie zeigen vielmehr Wechselseitigkeiten, Ent-
sprechungen, organische Abstufungen, von denen die eine ohne die
andere nicht möglich wäre; aber allerdings eine davon den V o r -
r a n g hat. Den V o r r a n g hat die Ganzheit vor dem Gliede,
daher die theoretische Begriffsbildung vor der geschichtlichen
1
.
3.
Das Verhältnis des Allgemeinen und Einzelnen aus der Natur der
Ausgliederung an sich selbst aufgezeigt
Wir haben im vorstehenden das Verhältnis des Allgemeinen und
Einzelnen nur aus dem Stufenbau gezeigt, wo das Höhere als die
Allgemeinheit des Niederen erscheint. Es läßt sich das Allgemeine
und das unwiederholbare Einzelne aber auch in jeder Ganzheit für
sich selbst als untrennbar miteinander verbunden aufzeigen. Hierzu
möge nach allem Vorangegangenen folgender kurze Hinweis ge-
nügen:
In jeder Ganzheit, wenn sie für sich selbst als innerer Gliederbau
betrachtet wird (unangesehen der Stufe, unangesehen also der
Ganzheiten über und unter ihr) ergibt sich das Einmalige dadurch,
daß sie sich in lauter einzigbestimmte Verrichtungsträger ausgliedert.
Ganzheit besteht begriffsgemäß nicht aus Doppelgängern, sondern
aus unauswechselbar verschiedenen Teilen (Gliedern). Herz und
Lunge, König und Bürger, Feldherr und Krieger sind unwieder-
holbar verschiedene Verrichtungsträger. — Andrerseits ist aber kein
Gliederbau ohne dasjenige denkbar, was wir das „Systematische“
nannten. Es kommt darin zum Ausdrucke, daß der „Plan“ einer
Ausgliederung in seinen Grundzügen von der höheren Gattung
her bestimmt wird. Dies wurde früher zur Genüge ausgeführt,
weshalb jede weitere Wiederholung überflüssig ist.
/
Auch von diesem Gesichtspunkte der inneren Gliederung jeder
Ganzheit aus zeigt sich daher die Wechselseitigkeit des Allgemeinen
und Einzelnen, die Zusammengehörigkeit des Systematischen und
1
Vgl. auch unten S. 151 ff.