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schichte unaufhörlich beisammen zeigt
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. Theoretische Gesellschafts-
lehre steht heute „gegen“ Geschichte, Statistik, Völkerkunde; theo-
retische Volkswirtschaftslehre „gegen“ Wirtschaftsgeschichte. Und
dennoch sind es keine letzten, keine logisch-verfahrenmäßigen
Widersprüche! Wir haben es hier vielmehr nur mit b e s o n d e r -
t e n R i c h t u n g e n e i n u n d d e r s e l b e n E r k e n n t n i s
zu tun. Die lehrbegriffliche oder theoretische Erkenntnis wendet
sich, wie gezeigt, vornehmlich an die höheren Stufen, bzw. an die
Gegenwart der höheren Stufen in den niederen und erhebt sich
dadurch sowohl über die Zeit wie über die einzelne Ausgliederungs-
form. Sie hebt sich damit aus dem Geschichtlichen ins verhältnis-
mäßig Allgemeinbegriffliche (Lehr- / begriffliche, Theoretische),
„verhältnismäßig“, denn ein Reintheoretisches gibt es nicht, weil
es kein Reinallgemeines gibt, sondern nur Konkretallgemeines. Die
geschichtliche Erkenntnis dagegen wendet sich vornehmlich an die
letzten Ausgliederungsstufen und ihre Entfaltungsereignisse, muß
aber dabei alles Einzelne als Glied des Ganzen (des Allgemeinen) er-
fassen. Sie verbleibt trotz des Theoretischen verhältnismäßig mehr
im Geschichtlichen (das es ebenfalls als Reingeschichtliches nicht gibt,
da nur Allgemeinkonkretes ist).
Hiefür möchten vielleicht trotz früherer Darlegungen folgende
Beispiele nicht überflüssig sein. — „ S t i l “ ist ein theoretischer Be-
griff, sofern er eine typische Ganzheit, ein geschichtlicher, sofern er
nur bestimmte Ganzheiten bestimmter Kulturen betrifft. Er ist
geschichtlich und theoretisch zugleich! — „ S t a a t “ ist ein theo-
retischer Begriff der Gesellschaftslehre, sofern sie den Staat als
„typische Erscheinung“ in der Gesellschaft betrachtet, das heißt aber
als die höhere Stufe oder die Gattung, die alle Tatsachen, welche
die Staatsbeschreibung, die Staatsstatistik, die Staatengeschichte und
die Völkerkunde aufzeigen, bestimmt, die allen diesen Tatsachen
innewohnt; und während die Theorie darum notwendig auf dieser
Tatsachenvergleichung beruht (da sie anders die höhere Stufe nicht
erschließen und finden kann als durch die Anschauung ihrer In-
härenz in der niederen), — betrachten die Staatengeschichte und
die anderen genannten Staatendarstellungen alle staatlichen Ereig-
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Ähnlich im System der Naturwissenschaften. Auch da sind die „Natur-
gesetze" nur als Konkretallgemeines und bilden einen Stufenbau; wie übrigens
auch die Nichtumkehrbarkeit des Naturverlaufes überall ein Einmaliges in die
Begriffsbildung bringt. Doch kann dies hier nicht weiter verfolgt werden.