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nisse zwar in ihrer Einzelheit, aber als Glieder, das heißt als ent-
halten in einem Ganzen. Die Geschichte kann aber „Otto I. als
Kaiser“, ferner „die Reichsorganisation Ottos I.“, ferner „Fried-
rich I. als Staatsmann“, ebenso kann die Völkerkunde den Staat
bestimmter australischer Völker nicht betrachten, wenn sie nicht
die „Staatsnatur“ der betreffenden Ereignisse, das heißt die Inhärenz
der Gattung in der Art und im Einzelgliede kennen und voraus-
setzen würde. So zeigt sich immer wieder: Theoretische Betrachtung
ist / nur möglich auf dem Grunde der geschichtlich-konkreten
Kenntnis, geschichtliche Betrachtung ist nur möglich auf dem
Grunde der theoretisch-begrifflichen Erkenntnis. Keine theoretische
Betrachtung ohne geschichtlichen Gehalt, keine geschichtliche Be-
trachtung ohne theoretischen Gehalt! Die Theorie hat es nur mit
geschichtlichen Ganzheiten zu tun, richtet aber ihren Blick auf die
höheren Gattungen im Stufenbau dieser Ganzheiten; die Geschichte
hat es nur mit geschichtlichen Ganzheiten zu tun, richtet aber ihren
Blick auf die letzten Ausgliederungsereignisse dieser Ganzheiten. Es
ist also nur eine verschiedene Wendung d e r s e l b e n Erkenntnis-
tat des Geistes, ob er einen Lehrbegriff (eine Theorie) oder einen
geschichteerzählenden Begriff bildet.
Nach allem Vorherigen ergeben sich als die echten Gegenüber-
stellungen der Logik nicht jene, wie sie aus dem empiristisch-atomi-
stischen Denken heraus auf gestellt wurden, nämlich: Allgemeines —
Einzelnes; Gesetz — Einzelfall; nomothetisch — idiographisch usw.;
sondern die folgenden:
Gattung — Art (Exemplar);
Höhere Stufe — Niedere Stufe (höher — niedriger);
Ganzheit — Glied (als niedere Stufe der Ganzheit gefaßt, das-
selbe wie: Gattung — Art);
Übergeordnetes — Untergeordnetes;
Entfaltung — Entfaltungsstufe (im Zeitverlaufe verstanden,
das heißt Umgliederung — Zeitstufe der Umgliederung [Epoche]);
befassend — befaßt;
rückverbindend — rückverbunden
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Zur näheren Erklärung der Bezeichnungen und Begriffe, auf die ich hier
leider nicht eingehen kann, vgl. mein Buch: Kategorienlehre (1924), 2. Aufl.,
Jena 1939, S. 61 ff. und 218 ff. [3. Aufl., Graz 1969, S. 62 ff. und 200 ff.], vgl.
auch die nächste Anmerkung.