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Brüchigkeit der Welt heißt indessen nicht, daß die Schöpfung ihrem

Begriffe nach, nicht, daß ihr gesamtes Sein auf Abfall beruht; Brü-

chigkeit heißt nur, daß der Werdegang hienieden stets bedroht, un-

terbrochen, geschädigt ist. Diese Brüchigkeit könnte entweder hei-

ßen: der Mensch ist hier in der Gefahrenzone, oder es könnte auch

heißen: der Mensch ist n a c h seiner Schöpfung gefallen.

Das erstere leuchtet von selbst ein. Der Gedanke aber, daß der

Mensch nachträglich gefallen sei, erscheint einerseits unabweislich,

andrerseits in dem herkömmlichen, einfachen, unkritischen Sinne

unvollziehbar. Denn k a n n d a s G e s c h a f f e n e s e i n e N a -

t u r v e r ä n d e r n ? Es kann sich schädigen, es kann sich verleug-

nen, es kann verwahrlosen, es kann seine Kräfte brachlegen; aber

wie soll es seine Wesenheit verändern, seine Kräfte verlieren und

sich zu einer tieferen Wesenheit machen? Der Rahmen seines We-

sens muß bleiben. Der raubgierigste Mensch / kann kein wirklicher

Tiger, der gefräßigste Mensch kein wirkliches Schwein werden, er

kann nur Tigerhaftes, Säuisches in sich erwecken. Aber im übrigen

bleibt seine Natur wie sie ist. Eben darum kann er auch jenes Tie-

rische in sich wieder tilgen und seine Natur wiederherstellen.

Als Erfahrungstatsache bleibt aber unleugbar die Schwäche, die

Brüchigkeit des Menschen zurück. Brüchigkeit heißt jedoch nicht

nur Schwäche, sondern ebenso: Größe der Aufgabe, Größe der Ge-

fahr, in die sich der Mensch begibt. Brüchigkeit gleich Gefahren-

zone heißt: ungeheure Tat, ungeheueres Wagnis; heißt ungeheuere

Größe der Schöpfung. Die Seele begibt sich nicht aus Gottes Hand,

sie bleibt in Gottes Hand, wenn sie in die Schöpfung tritt; aber sie

begibt sich aus Gottes Ruhestatt, aus seiner Umfriedung, seiner He-

gung. „In der Welt habt ihr Angst.“ (Johannes, Kapitel 16, Vers 33).

Warum trat dann die Seele ins weltliche Dasein?

Das ist die große Rätselfrage. Warum entstand damit die Welt?

— Da doch dieses Dasein nicht endgültig ist, sondern vergeht, über-

höht wird? Eben um jene Überhöhung, die in diesem Leben er-

reichbar ist, zu erreichen! Was in diesem Leben erreichbar ist, ist

offenbar so kostbar, daß alles dafür gewagt, alles daran gesetzt wer-

den muß — die Gefahren dieses Lebens, die Leiden dieses Lebens,

das Mißlungene dieses Lebens sogar. Und was wird erreicht? Der

Geist lernt sich selbst in Gezweiung kennen — in seiner Niedrigkeit

Gott gegenüber und in seiner Innigkeit Gott gegenüber.