342
[395/396]
Grundsätzlich kann man im Umgliederungsverlaufe zwei Mög-
lichkeiten unterscheiden, die den Abfall entweder bezeugen oder
widerlegen müßten. Entweder das ins Dasein getretene Geschöpf
wird im weiteren Umgliederungsgang (in der forterhaltenden und
abgeleiteten Schöpfung) dem Wesen der Sache nach vertieft, stär-
kend entfaltet, oder es wird nicht entfaltet, sondern verharrt auf
gleicher Ebene.
Wäre schon das Ins-Daseintreten als Selbst seinem innersten We-
sen nach — nicht einem nachträglichen Mangel nach — ein Herab-
sinken in eine niedere Ebene des Seins, ein Abfall, so könnte dem
weiteren Umgliederungsgange (Werdensverlaufe) nicht das Wesen
der Selbstvertiefung, des inneren Wachstums, der Entfaltung zu-
kommen, denn dann würde das gefallene Sein nur auf der Ebene,
auf die es hinuntergefallen war, verharren, sich dort weiterbewegen,
gleichwie ein Stein eben Stein bleibt. Es bedürfte der Gnade, es be-
dürfte der jeweiligen helfenden Einwirkung von oben, um die ver-
leugnete Natur wieder herzustellen, eigener Veranstaltungen und
Eingriffe, um die gesunkene Natur wieder zu heben. — Das sehen
wir aber in der Wirklichkeit nicht. Selbst die Pflanze, selbst das Tier
stärkt seine Natur, indem es sich vom Keime zur Blume, von der
Samenzelle zum Tiere entwickelt. Und am meisten der Mensch
wächst, nicht nur äußer- / lich, sondern auch innerlich: Seine Sin-
nenwelt und seine Denkwelt, seine Geisteswelt entfaltet sich und
erhebt sich dabei. Der Geist verläßt die Welt stärker, als er in sie
eintrat. Daher k a n n das Insdaseintreten an sich nicht auf Abfall
beruhen. Es muß auf den Wegen Gottes geschehen.
Darauf wäre folgender Gegeneinwand möglich: Das irdische Da-
sein hat Unvollkommenheit in sich, ist voller Unruhe und Un-
seligkeit. Der Mensch begehrt im Innersten, das Handeln zu über-
winden. Er wendet sich dem beschaulichen Leben zu. Mit ungeheu-
rer Anstrengung gelangt er zum Schauen. Aber siehe: Es kann beim
Schauen nicht bleiben. Die schlechthin mystische Lebensordnung zer-
schellt, wenn nicht an den Notwendigkeiten des Daseins (die ließen
sich durch heldische Askese überwinden), so an dem inneren Triebe,
zum Handeln fortzuschreiten. Immer wieder wird der Mensch zum
Handeln gedrängt. Er muß aus dem Schauen heraustreten. — Auf
diesen Einwand ist zu erwidern, daß allerdings der Hinweis auf das
Tatsächliche, der in ihm liegt, an sich richtig ist. Die Welt ist brüchig.