An die Mystik und Magie als Quellen der Religion sollte sich die
Offenbarung schließen. Um aber voerst die Darstellung der Phäno-
menologie (Morphologie) der Religion fortzuführen, lassen wir hier
schon eine kurze Behandlung des Gottesdienstes folgen, ehe wir zur
Offenbarung übergehen.
I.
Wesen und Bestandteile des Gottesdienstes
Gottesdienst oder Kultus ist das Bestreben der Teilnahme des
Menschen an Gott durch bestimmte Veranstaltungen. Denn jeder
Religion gilt Gott als zugänglich: „Das Himmelreich leidet Gewalt.“
Die höchste Teilnahme will eine solche am inneren Leben Gottes
sein, und das ist der Fall der mystischen Frömmigkeit; eine gerin-
gere Teilnahme will mehr eine solche an seinen Gaben sein, und das
ist der Fall jener Frömmigkeit, welche sich vornehmlich auf die
äußere Abhängigkeit des Menschen von Gott gründet. Wir nannten
sie daher schon früher die „schlichte Frömmigkeit“.
Das Innere am Gottesdienst unterscheiden wir als G e b e t u n d
O p f e r g e s i n n u n g ; das Äußere ist die O p f e r h a n d l u n g ,
bestimmt durch die Opferordnung, das heißt Liturgie, Zeremoniell,
Ritual, Brauchtum.
In der mystischen Frömmigkeit tritt alles Äußere, Veranstaltende
des Gottesdienstes zurück, daher auch das Handeln, sogar das for-
melle Gebet. Denn die mystischen Versenkungen sind selbst als Ge-
bete zu betrachten. Daher treten denn auch Liturgie, Zeremoniell,
Ritual in der Mystik zurück. Sie kennt insbesondere keine blutigen
Opfer. Diese gehören ausschließlich dem magischen Bestandteil der
Frömmigkeit an, und zwar einer gesunkenen, ver- / finsterten Ma-
gie, wie sich zeigen wird. Wir behaupten: Ü b e r a l l , w o b l u -
t i g e O p f e r a n z u t r e f f e n s i n d , i s t a u f e i n e n s t a t t -
g e f u n d e n e n V e r f a l l d e r F r ö m m i g k e i t z u s c h l i e -
ß e n .
Es ist klar, daß nach unserer obigen Begriffsbestimmung Kultus und Ritus
nicht das Erste der Religion sind, welchem der Mythos als das Rationale und Er-