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In der Nachbildung des göttlichen Geschehens durch das Opfer
liegt zunächst, daß dieses keineswegs bloß eine E h r u n g Gottes
darstelle, das Wesentliche am Opfer ist vielmehr jene allgemeine
Magie, welche durch ein System von Entsprechungen und damit
durch die Nachbildung des göttlichen Geschehens, insbesondere in
der heiligen Handlung, wirkt.
Auf dieser Grundlage ergibt sich nun erst die entscheidende Er-
kenntnis zum vollen Verständnis des Opfers und des gesamten Got-
tesdienstes: Die Abbildung der heiligen Geschichte und überhaupt
alles am Gottesdienst zielt auf eine T e i l n a h m e a m g ö t t -
l i c h e n L e b e n ab. Diese Teilnahme ist das Ziel, der letzte
Sinn des Opfers, das Sakramentale am Opfer. Und die Nachbildung
göttlichen Geschehens der Weg dazu.
Die Teilnahme sollte in den mythologischen Religionen und im
alten Judentum
1
konkret bewirkt werden:
1.
Durch das O p f e r b l u t der geschlachteten Tiere und das
Verbrennen des Fettes.
Das O p f e r b l u t w i r d d e m G o t t z u r V e r k ö r p e -
r u n g a n g e b o t e n ; e r soll dadurch a n w e s e n d werden, wes-
halb in Hauptopferstätten Schlachtung und F e u e r (Verbrennung)
beständig sind. Die Verkörperung durch Blut veranschaulicht die
Odyssee in der Totenbeschwörung des Odysseus
2
.
2.
Durch das E s s e n v o m O p f e r f l e i s c h .
Jeder, der vom Opferfleisch in kultischer Form ißt, tritt in den
Zauberkreis, das heißt er nimmt an dem Gott teil, wird des Gottes
voll. Daher es auch den ersten Christen unter allen Umständen ver-
boten war, eine Einladung zum Opferschmaus der Heiden anzu-
nehmen
3
.
Eine Abbildung göttlichen Geschehens im engeren Sinn liegt nun
in Opferblut, Opferfeuer und Opfermahlzeit an sich allerdings noch
nicht. Nur sofern diese drei Elemente als grundsätzliche Mittel der
Anteilnahme, also als m a g i s c h e M i t t e l d e r V e r b i n -
d u n g mit der Gottheit betrachtet werden, bilden sie / bestimmte
1
Siehe Pentateuch.
2
Uber das Opferfeuer sogleich unten.
3
Hans Lietzmann: Geschichte der alten Kirche, Bd 1, 2. Aufl., Berlin und
Leipzig 1937, S. 142.