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Hiermit ist, wie wir glauben, der Eingang des Johannesevan-
geliums zwanglos erklärt und aufgehellt. Der buchstäbliche, aus /
der mystischen Praxis zu verstehende Sinn der ersten Sätze eröffnet
ihre geheimen philosophischen Tiefen, das Exoterische und Esote-
rische fließt in eins zusammen.
Allerdings ist noch eines hinzuzufügen: Die Ausdrücke „ W o r t “
u n d „ S o h n " sind nicht in sinnlich-menschlicher Weise zu ver-
stehen. Gott hat keine Zunge, sein Wort hat keinen Schall; und
ebenso ist der Ausdruck „Sohn" — gleichwie der in der Dogmatik
damit verbundene der „ Z e u g u n g “ — nicht im natürlichen
Sinn, sondern nur sinnbildlich zu verstehen. Alle natürlichen Ver-
gleiche verlieren hier ihre Kraft. Jeder naturalistische Sinn dieser
Ausdrücke entspräche nicht der Größe ihres Gegenstandes.
2. Echtheitsfrage
Die Logoslehre des Johannesevangeliums ist, das geht aus dem
Gesagten hervor, aus sich selbst zu erklären, nicht aber — entgegen
allen Versuchen, sie aus dem Logos Heraklits, der Stoiker und Philos
herzuleiten — als „Logos" im Sinn eines unpersönlichen Weltgeistes.
R e i n p h i 1 o s o p h i e g e s c h i c h t l i c h
b e t r a c h t e t , b l i e b e s i e s t e t s e i n R ä t s e l , bliebe sie
historisch unab- leitbar. Auch die rein philologische Kritik kommt zu
keinem Ergebnis: die johanneische Logoslehre ist erst von der Praxis der
Mystiker her ganz aufzuhellen. Und Jesus erscheint hier als ein Meister der
Mystik! Die Logoslehre des Evangeliums muß, so ist zu schließen,
von Jesus selbst herstammen. Es ist daher auch kein Grund anzu-
nehmen, daß die kirchliche Überlieferung über das Johannesevan-
gelium falsch sei und ein späterer Verfasser ins Spiel komme, das
heißt, daß es sich um stoisch-alexandrinisches oder phiionisches Lehr-
gut handle!
Die Verkennung der mystischen Art des Johannesevangeliums
führte leider auch zum Teil zu einer falschen Einschätzung. Wenn
sogar ein Meister geschichtlicher Forschung wie Harnack erklärte:
„Unsere Quellen für die Verkündigung Jesu sind .. . die drei ersten
Evangelien ... Insonderheit darf das vierte Evangelium, welches
nicht von dem Apostel Johannes herrührt... als eine geschichtliche