436
stentums. Wenn man den Nachweis „der Einen Religiosität in den
vielen Religionen“
1
, den Nachweis der gleichen religiösen Katego-
rien als „des Urgedankens aller Religionen“
2
, den Nachweis der
gleichen Urquellen — Mystik, Magie und Offenbarung — für alle
Religionen als eine Relativierung des Christentums betrachtet, geht
man zu weit und übersieht das Entscheidende: Hier wird Ernst ge-
macht mit dem Gedanken: daß die Wahrheit der Religionen es an
sich habe, daß sie durch andere Religionen nicht so sehr widerlegt
als vielmehr überhöht werde. Dieser Begriff der Überhöhung über-
windet die Relativierung, ja die in der Religionsphilosophie Spanns
erstmalig entwickelte Morphologie der Religion enthält ja gerade
den Schlüssel zur Überwindung des Relativismus. Bei Anwendung
dieses seines Rüstzeuges kommt Spann am Schlusse seines Werkes
zu dem Ergebnis: „Je gründlicher man andere Religionen studiert
und ihre Verfinsterung durch Verstrickung im Naturhaften ei--
kennt, um so heller strahlt das Licht des Christentums. Schon bei
seinem Auftreten unterscheidet es sich von allen bisherigen Reli-
gionen durch die weltgeschichtliche Wendung, die es anbahnt. An
keine Religion knüpft sich ein entfernt ähnlicher Umschwung wie
an die christliche“
3
. „Man wende nicht ein, daß die Mystik der In-
der, Chinesen, Griechen, Neuplatoniker, Sufiten dasselbe geleistet
hätte. Gewiß, sie war großenteils dazu gerüstet. Aber die Geschichte
lehrt unleugbar: Jene Mystik leistete in ihrer Wirkung auf die Reli-
gion nicht dasselbe wie das Christentum“
4
.
Wenn man den Weg Spanns nachgewandert ist, wenn man das
Große in gespannter Sammlung nachgedacht hat, was das Werk
Spanns vorführt — trotz der Bescheidenheit, mit der er seine Auf-
gabe umreißt: „Die Zugänge zur Religion durch Rückgang auf ihre
ewigen Quellen freizulegen“
5
—; kann man sich dem Urteile Man-
fred Schröters, eines der ersten Schelling-Forscher unserer Tage, an-
schließen, wenn er schreibt: „Hier ist erfüllt — zum ersten Male in
der Welt, was Schellings ,Philosophie der Mythologie' versprach
aber noch nicht vermochte — die Gesamtheit der Religion aus letz-
1
Siehe oben S. 325.
2
Siehe oben S. 324.
3
Siehe oben S. 367.
4
Siehe oben S. 400.
5
Siehe oben S. 406.