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sung (sterbender und auferstehender Gott); die Erklärung des Bösen
(Abfall, Dualismus) und die Liebe.
Schon hiermit ist das scheinbar so undurchdringliche Dickicht
der Mythen fürs erste gelichtet“
1
.
(Das führt also beispielsweise zur Widerlegung der Ratzeischen
Auffassung von der „Wanderung“ oder „Entlehnung“, ebenso zu
jener des Panbabylonismus: anderseits aber zu einer Wiederauf-
nahme des Bastianschen „Völker“- oder „Elementargedankens“,
allerdings in einer neuen, ungleich vertieften Gestalt: der Gedanke,
daß der Mensch das „Ebenbild der Gottheit“ sei, „ist nicht aus
Sumer-Babylon entlehnt, sondern hat überall die gleiche Grund-
lage: die religiöse Kategorie der Gottverwandtschaft des Menschen,
gründend im mystischen Erleben“
2
). Diese Theologie der polythei-
stischen Religionen, wonach die Grundlegung der Mythen nach den
religiösen Kategorien geschieht, läßt die bisherigen so unbefriedi-
genden naturalistischen Theorien über die Mythenbildung weit hin-
ter sichl
3
. Dazu kommt, daß die ganzheitlichen Kategorien der Aus-
gliederung als Differenzierungsgründe der Mythen mühelos zu
einem Stufenbau der Götterwelt hinleiten, wie ihn der geschichtliche
Polytheismus allenthalben zeigt: „1. die Urgottheit der mystischen
Erfahrung; 2. die die Welt durchwaltenden hohen Götter; 3. die in
kleineren Kreisen wirkenden niederen göttlichen Mächte; 4. die See-
len der Verstorbenen“
4
. Es ergibt sich so ein Gliederbau der Göt-
terwelt, deren Gottheiten „als Teilmächte des organisch-geistigen
und des kosmischen Lebens aufgefaßt werden“
5
.
Auf diese Weise gelingt Spann ein a n a l y t i s c h e r Nachweis
für jene Tatsache, die entdeckt zu haben die heutige Kulturkreis-
lehre so stolz ist: nämlich für den Urmonotheismus aller Kulturen,
auch der primitiven! „Geht man von einer mystischen Urerfahrung
als Grundlage aller Religiosität aus, dann ist es nicht verwunder-
lich, in den ältesten Zeugnissen religiösen Denkens der Menschheit
einen Monotheismus hervortreten zu sehen, als d e s s e n b l o -
1
Siehe oben S. 200.
2
Siehe oben S. 195 f. und 272.
3
Siehe oben S. 202 f.
4
Siehe oben S. 205.
5
Siehe oben S. 214.