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C. F o l g e r u n g e n a u s d e m S t a n d e s b e g r i f f e
1. Das Wesen der Körperschaft
Aus dem ganzheitlichen Standesbegriffe ergeben sich wichtige
Folgerungen für das Gefüge von Gesellschaft und Staat. Diese Struk-
turprinzipien setzen sich umso nachhaltiger durch, je vollkommener
die ständische Grundstruktur der Gesellschaft ausgeprägt ist, je mehr
die jeweilige geschichtliche Gesellschaft sich in Vollständen ausglie-
dert. Der echte Vollstand jedoch hat den Zug zur Festigung seiner
Organisation, den Zug zur Körperschaftlichkeit.
Körperschaftlichkeit bedeutet:
(1) Den Zug zu inhaltlicher Ausschöpfung des arteigen ständi-
schen Aufgabenkreises, das heißt zur Selbstverwaltung.
(2) Den Zug zur personellen Ausschöpfung des ständischen
Bereiches, das heißt nach möglichst lückenloser Einbeziehung aller
zugehörigen Mitglieder: Organisationszwang und Einzigkeit des
Standes.
(3) Den Zug zur Entwicklung bestimmter ständischer Erziehungs-
formen, welche die größtmögliche Leistsamkeit und innere, haltungs-
mäßige Eingliederung aller Mitglieder verbürgen (ständische Er-
ziehung).
Je inniger die dem Stande zugrunde liegende gemeinsame Geistig-
keit entwickelt ist und je stärker sich die erwähnten Eigenschaften
des Standes — als da sind: Selbstverwaltung, Organisationszwang,
Standeserziehung — entfalten, desto stärker treten die Merkmale des
Standes hervor: Gleichartigkeit des Lebensinhaltes und der Gesin-
nung, Standesehre, gleiche Lebenshaltung der Standesmitglieder und
gleiche Haupttätigkeit.
All dies führt wiederum zur Ausbildung eines jeweils den Stand
tragenden Menschenkreises, eines Kernes oder Stammes von
Menschen, die durch ihre innere Nähe zu den standbestimmenden
geistigen Inhalten, durch eine besondere Verbundenheit mit den
Verrichtungen des Standes auch dessen prägender Macht besonders
ausgesetzt sind: was sich in Haltung und Lebensart, Standesehre und
Gesinnung, ja oft sogar im äußeren Habitus dieser Menschen aus-
drückt.