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Mittelsysteme hinaus neue Mittel schaffen können, ist grundsätzlich nach dem Satze

„Kein Mensch muß müssen“ zu entscheiden, denn kein Mensch muß die vorhandenen

Mittel benützen. In der g e s c h i c h t l i c h e n W i r k l i c h k e i t w i r d d a s

S c h w e r g e w i c h t d e r M i t t e l a b e r d i e g r ö ß t e R o l l e

s p i e l e n . Meist kommen auch die Revolutionen nicht so weit über die gegebenen

Mittel hinaus, als erhofft wurde.

Im Verhältnis der Bedeutung des Zieles für das Mittel und der Mittel für das Ziel

findet so eine lebendige Wechselbestimmung statt, von der die Geschichte der

Wirtschaft genug Vorteilhaftes zu berichten weiß. Die stete „Entwicklung der

Bedürfnisse“ (das heißt Neubildung von Zielen, Umbildung des Zielsystems) hat der

Wirtschaft immer wieder neuen Anstoß gegeben; und die Entwicklung neuer Mittel für

schlummernde Ziele hat wieder ihrerseits am Weiterbau der Wirtschaft selbständig

mitgewirkt. Diese Wechselbeziehung wirkt äußerst befruchtend auf die Entwicklung

der Wirtschaft wie der Ziele selber, auf ihre Gliederung, Verbesserung, Vernünftigung,

Sittigung und Erneuerung. Es ist a b e r

k e i n e s w e g s

e i n e

W e c h s e l b e z i e h u n g

i n

d e m

S i n n e ,

d a ß

z w e i

v o n e i n a n d e r

u n a b h ä n g i g e

E l e m e n t e

a u f e i n a n d e r

w i r k t e n . Das ursprüngliche und primäre Element kann immer nur das Ziel sein;

das alte Mittel „wirkt“ ja nur, weil das alte Ziel nicht weichen will, dem es bisher diente.

Das Mittel selbst „wirkt“ also gar nicht, nur ein Ziel, das hinter ihm steht. Anders das

Ziel. Dieses „gilt“, und es schafft sich damit die Mittel, es ruht und rastet nicht, bis es im

stillen aufbauend oder gewaltsam antreibend sich selbst verwirklicht hat. Das neue

Mittel dagegen kann, wenn es z. B. in der Form von Naturschätzen schlummernd da ist,

höchstens ein schon geltendes, aber noch nicht verwirklichtes Ziel anregen, zur

Wirklichkeit bringen, kann das, was noch ruht, zur Bewegung, zum Leben rufen. Ferner:

w e n n s i c h / d i e Z i e l e i m m e r s c h o n j e w e i l s g e g e b e n e n

S y s t e m e n v o n M i t t e l n g e g e n ü b e r s e h e n , s o s e h e n s i e

s i c h

d a m i t

n u r

i h r e r

e i g e n e n

V e r g a n g e n h e i t

g e g e n ü b e r . Die früheren Ziele waren es, die sich jene Mittel geschaffen haben.

Und wie sich neue Ziele mit ,den alten durch Vitalität, Vernunft, Sittlichkeit und Willen

auseinandersetzen müssen, um sich von ihnen loszulösen: so noch ein zweites Mal von

denselben alten Zielen, indem sie das für sie bestimmte gegebene Mittelsystem beiseite

schieben und überwinden müssen.

Aus der strengen Trennung von Mittel und Ziel und der reinen Dienstbarkeit der

Wirtschaft ergibt sich, wie sehr es im methodologischen Sinne falsch ist, z. B. von einem

„ E i n f l u ß der Wirtschaft auf die Religion“ zu sprechen oder auch umgekehrt „der

Religion auf die Wirtschaft“. Richtig ist nur das eine: die Ziele gelten, die Mittel dienen;

die Wirtschaft d i e n t daher, sie beeinflußt weder, weil sie dient, noch wird sie

beeinflußt — weil sie dient. Soweit die Religion als Ziel gilt, ist die Wirtschaft das

G e s c h ö p f der Religion, wird also nicht erst von ihr „beeinflußt“.

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Siehe auch unten S. 87 und 89 f.