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Ihn möchte ich auch an dieser Stelle auf meine Antrittsrede „Vom
Geist der Volkswirtschaftslehre“ verweisen, die am besten zur
Einführung dienen dürfte und daher auch diesmal dem Buche als
Anhang beigegeben wurde.
In sachlicher Hinsicht habe ich mich bemüht, den Begriff der
Ganzheit und das Grundverhältnis Ganzes—Glied überall schärfer
herauszuarbeiten und namentlich die Unterordnung des Zweckhaften
(Teleologischen) im Leistungsbegriffe unter ihn hervortreten zu lassen.
Dagegen habe ich die Auseinandersetzungen mit den gegnerischen
Standpunkten eher gekürzt als erweitert, da ich mich mittlerweile in
einer eigenen Schrift „Tote und lebendige Wissenschaft
1
“ der
Auseinandersetzung mit dem wirtschaftlichen Individualismus und
dem Marxismus widmete. Die erkenntnistheoretischen und
verfahrenhaften Begriffe endlich, die im vorliegenden Buche
entwickelt werden, hoffe ich in ihrem eigenen Zusammenhange,
abgelöst von aller Volkswirtschaftslehre, in Bälde als selbständiges
Begriffsgebäude einer eigenen „Kategorienlehre“ vorzulegen, so daß
auch da Erweiterungen unterbleiben konnten.
Uber den unerwarteten Erfolg des Buches darf ich mich um so mehr
freuen, als er nicht sowohl meinemWerke selbst gilt wie dem geistigen
Reiche, in das es zeigt. Es ist, so dürfen wir mit Recht sagen, eine
höhere, eine wahrere Gedankenwelt, die hier erstrebt wird, als jene
des wirtschaftlichen Individualismus und der Aufklärung, eine höhere
auch
als
jene
der
marxistischen
Wirtschafts-
und
Geschichtsauffassung,
welche
die
materiell-mechanische
Naturgesetzlichkeit und die Allmacht der Wirtschaft predigt und
zynisch sich selbst die „materialistische“ nennt. Schon einmal wurde
die aufklärerische und materialistischeWissenschaft durch den großen
Sturm in deutschen Herzen, die Romantik, überwunden. Wir
brauchen keine neuen Schlachten zu schlagen, wir müssen uns nur die
alten Siege im Geiste zu eigen machen, die von Adam Müller bis /
Thünen und List, von Kant bis Schelling, Hegel und Baader erfochten
wurden.
Sie sind unser wesenhaftestes, unser innerstes Eigen: nichts Neues
gilt es daher zu erfinden, nur unser besseres Selbst müssen wir
entdecken, um sie wieder zu erlangen. Auch das vorliegende Buch will,
1
Tote und lebendige Wissenschaft, Zwei Abhandlungen zur
Auseinandersetzung mit Liberalismus und Marxismus, Jena 1921.