10
[XVI]
Zur Lösung einer solchen Aufgabe genügt es nicht, der
Volkswirtschaftslehre eine gesellschaftswissenschaftliche Wendung
geben zu wollen, sie zur gesellschaftswissenschaftlichen
(„soziologischen“) Lehre zu stempeln. Es muß an den vorhandenen
Zustand unserer Wissenschaft angeknüpft werden, um jene Wendung
tatsächlich zu vollbringen. Die Lage in unserer Wissenschaft ist aber
noch immer am meisten bestimmt durch jene, die von Adam Smith
geschaffen wurde. Smith und Ricardo haben die Bedingungen des
Tausches der Güter, die Preisbildung, zu Gegenstand und Mitte des
volkswirtschaftlichen Denkens gemacht, während der Merkantilismus
und das „Tableau économique“ von Quesnay (noch mehr Adam
Müller, List und andere) die Verknüpfungen und Gesetze des
wirklichen wirtschaftlichen Verrichtens und Leistens, das in der
Volkswirtschaft gegeben ist, zum Gegenstand nahmen. Die Lehre
Smithens und Ricardos war reine „Verkehrstheorie“, wie sie sehr
richtig bezeichnet wird, während die Betrachtungsweise des
„Tableau“, welche vor und neben den Verkehr die erzeugende,
lebendige Verschlingung wirtschaftlichen Handelns und Leistens
stellte, eine systematische, abgerundete Gestalt und Ausbildung nicht
empfing. Die österreichische Grenznutzenlehre blieb (obgleich sie es
nicht nötig gehabt hätte) trotz mancher Ansätze im wesentlichen noch
Verkehrslehre; die geschichtliche Schule wieder, die aus solcher Enge
und Trockenheit einer Kaufmannsökonomie herauswollte, verfiel
etwas täppisch in fast uferlose Beschreibung.
Die Verkehrstheorie gänzlich über Bord zu werfen, wäre verfehlt.
Bei aller Künstlichkeit ihrer Annahmen und Fortschreitungen ist sie
zu einem unverlierbaren Schatz abstrakter Erkenntnis gekommen, ist
sie in mancher Hinsicht eine Blüte des volkswirtschaftlichen Denkens.
Hoch über sie ist aber ein Begriff der Volkswirtschaft zu stellen, der
jenen ganzen Reichtum lebendiger Wirtschaft in sich aufnimmt,
welcher allein die Anknüpfung an die volle Geistigkeit der
gesellschaftlichen und geschichtlichen Welt ermöglicht und mit dieser
Verbindung allein die Bürgschaft für die Wahrheit des Erkannten in
sich trägt. Dieses Ziel zu ergreifen, ist heute an der Zeit. Zwar sind dem
volkswirtschaftlichen Denken die Wege dazu immer offen gewesen,
wie denn überhaupt jede Zeit die volle Zahl der Gedanken, die ganze
Fülle der Gesichte erzeugt und ihr kaum eine Möglichkeit der
Erkenntnis verschlossen bleibt; und wie denn auch das Genie Adam
Müllers (um nur diesen zu nennen) ganz auf