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heißt jener Ganzheit, deren handgreifliche Geschichte geschrieben

werden soll, König ein Organ des Staates.

Eine Religionsgeschichte vom nichtempiristischen Standpunkte

aus ist noch nicht geschrieben. Der einzige große Versuch, welcher

vorliegt — Augustinus gab nur einen Rahmen, fast nur Andeutun-

gen —, ist jener Schellings in seiner „Philosophie der Mythologie

und Offenbarung“. Ihr Grundgedanke: Das I n n e r s t e d e r

G e s c h i c h t e i s t R e l i g i o n s g e s c h i c h t e

1

, vermag von

den Modernen nicht gewürdigt zu werden — wie es scheint: auch

noch nicht von den modernen katholischen und protestantischen

Theologen, die sich von der naturwissenschaftlichen Art der indivi-

dualistischen Religionssoziologie blenden lassen. Eine rechte Ge-

schichte der Religionen müßte zuerst Geschichte der Religiosität

sein und die letzte innere Einheit aller Religionen festhalten. Es

versteht sich, daß durch diese innere Einheit die Unterschiede in

ihrem Wahrheits- und Offenbarungsgehalte nicht verneint werden.

Die erste Schwierigkeit bereiten der Religionsgeschichte die

Naturvölker.

Es ist u n r i c h t i g , i m G l a u b e n t u m d e r N a t u r -

v ö l k e r n u r d a s E n t a r t e t e u n d V e r b i l d e t e z u

s e h e n , dem tieferen religiösen Wurzelgrund aber, der im Verbor-

genen überall zu finden ist, nicht nachzuspüren. Wenn man die

Schilderungen des Glaubens der Naturvölker in den heutigen

religionssoziologischen Werken liest, muß man sich zuerst vor

Augen halten, daß viele Reisende und Beobachter aus Mangel an

Religiosität gar nicht in der Lage sind, die geheimen religiösen und

subreligiösen (zum Beispiel hellsichtigen) Hintergründe zu ver-

stehen, so gut sie es sonst meinten

2

. Wie man nicht Sittengeschichte

schreibt auf dem Grunde des Verbrechens, / sondern auf dem

Grunde dessen, was jeweils als sittlich erlebt und beurteilt wurde,

so kann man nicht Religionsgeschichte schreiben auf Grund von

Äußerlichkeiten, Entartungen und Ermattungen. Selbst die ge-

sunkensten Völker sind nicht ganz von Gott verlassen. Niemals

dürfen die abergläubischen Gebräuche und Äußerlichkeiten des

1

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Sämtliche Werke, Abteilung II, Bd I:

Einleitung zu der Philosophie der Mythologie, Stuttgart 1856.

2

Ein grelles Beispiel dafür ist Max Webers religionssoziologische Begriffs-

bestimmung des Priesters, siehe oben S. 397.