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Opferdienstes, niemals die Phantastik und Bildnerei des Mythos für
den Ernst der Religion genommen werden — was dahinter steht
zu deuten ist allerdings kein Geschäft für den Durchschnittsmen-
schen.
Vor allem aber — und das ist für viele Fragen entscheidend —
darf bei Beurteilung der Religionen der Naturvölker und der poly-
theistischen Völker der arteigene Wahrheitsgehalt jener Dinge nicht
übersehen werden, die man heute unter den Namen Hypnose,
Somnambulismus, Vorschau, zweites Gesicht, Hellsichtigkeit, para-
psychologische Erscheinungen und dergleichen mehr zusammenfaßt
und mit Unrecht belächelt. Erscheinungen Verstorbener, besonders
der Ahnen, Ahnenverehrung, Schamanenleistungen, Zauberei sind
daher keineswegs leere Nichtigkeit, Unwesen, Schwindel — wer das
meint, wer j e n e n
v e r b o r g e n e n
E r s c h e i n u n g e n
d e s m e n s c h l i c h e n S e e l e n l e b e n s k e i n e n W a h r -
h e i t s g e h a l t z u g e s t e h t , w e r s i e n i c h t z u w ü r d i -
g e n v e r m a g , k a n n i n d e r R e l i g i o n s g e s c h i c h t e
n i e a u f G r u n d k o m m e n .
Hier finden wir die wichtigste Wurzel heidnischer und natur-
hafter Religion. Das Entscheidende dabei ist und bleibt: Der innere
Umgang mit überirdischen Mächten, Geistern der Ahnen und ähn-
lichen Wesen, wie er den alten Völkern überall und heute noch dem
hellsichtigen Naturmenschen sehr nahe liegt und ihn oft ganz aus-
füllt, ist zuletzt nicht bloße Phantasie und darum nicht ganz un-
wahr — a b e r e r l e n k t v o n d e m T i e f s t e n u n d
L e t z t e n d e r R e l i g i o s i t ä t a b , v o n d e r h ö c h s t e n
G o t t h e i t . D e r E i n g o t t g l a u b e t r i t t d a d u r c h
z u r ü c k u n d w i r d g l e i c h s a m i n d e r S c h w e b e
g e l a s s e n . Das erklärt die merkwürdige Erscheinung, daß in den
polytheistischen wie in den magischen Religionen die höchste Gott-
heit nicht geleugnet wird — aber trotzdem wenig oder kaum Be-
achtung findet. Die mittleren Mächte sind es, die in solchen Zustän-
den den Menschen binden, wie uns oben bei Betrachtung des Mythos
schon aufstieß.
Die Religionen der Heiden und der Wilden sind darum, diese
Folgerung muß gezogen werden, n i c h t s c h l e c h t h i n u n -
w a h r ; aber sie sind durch die Verstocktheit in die niederen ok-
kulten und magischen Mächte und Erscheinungen sehr getrübt. Sie