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litikern. — Im allgemeinen aber ist bei gut organisierten Gesellschaften der

R e i c h t u m a n d i e p o l i t i s c h e , k i r c h l i c h e , a m t l i c h e V e r -

r i c h t u n g u n d F ü h r e r s t e l l u n g enger angeknüpft, folgt daher der

Ehrenstellung mehr nach als in der kapitalistischen Gesellschaft. Den Reichtum an

die Stellung und Verrichtung zu binden, nicht an die Person und auch nicht

allein an die wirtschaftliche Tätigkeit, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen

zur Lösung der „sozialen Frage“.

II. Die Politik oder Staatskunst

A.

Das W e s e n d e r P o l i t i k

Das Wort Politik ist zweideutig. Es bedeutet die Staatskunst oder

sogenannte praktische Politik und die Staatskunstlehre oder die

soziologische Lehre von den politischen Vorgängen. Staatskunst,

praktische Politik / kann kurz als der W e t t s t r e i t d e r

B ü n d n i s s e bezeichnet werden. Das Ziel dieses Wettstreites ist:

ein organisatorisches Gut, bestehend in jenen Maßnahmen (Veran-

staltungen), welche vom Staat oder von anderen Körperschaften er-

langt werden sollen. Das Wesen der politischen Handlung ist dem-

nach näher dahin zu bezeichnen: daß es auf die Erlangung günstiger

o r g a n i s a t o r i s c h e r B e d i n g u n g e n für die betreffenden

Ziele und Tätigkeiten geht.

Aus dieser Bestimmung sind alle Eigenschaften und Begriffsele-

mente der Politik abzuleiten. Damit ist sie nämlich:

erstens eine Tätigkeit, die sich durchaus nicht unmittelbar auf den

Staat richten muß, denn organisatorische Bedingungen werden auch

von Provinzen, Gemeinden, zünftigen Gruppen, privaten Vereinen

dargeboten. Es gibt eine Vereinspolitik und Zunftpolitik ebensogut

wie eine Staatspolitik.

Zweitens ist Politik also nur öffentlichen, nicht staatlichen Cha-

rakters, eine Tätigkeit, die auf Hervorrufung von Veranstaltung ge-

richtet ist, eine a n s t a l t b i l d e n d e T ä t i g k e i t (was wir

als „Hilfshandeln höherer Ordnung“ bezeichnet haben). Der „an-

staltbildenden Tätigkeit“ entspricht es natürlich, daß die Träger der

Politik die M a c h t ergreifen wollen, nach der Macht streben. Je-

doch ist nicht das „Machtstreben“ dabei das Erste, wie die naturali-

stische Soziologie behauptet, sondern der Zweck des Machtgebrau-

ches: die Anstaltbildung.