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die Stetigkeit, Umfassung und Dauer. Je unstetigere und ungenü-

gendere Organisationsformen des Eheverhältnisses vorliegen, um so

weniger können sie ihre gesellschaftlichen Verrichtungen erfüllen

1

.

d.

Beurteilung der heutigen Einfamilie. Staatserziehung

der Kinder

Die dauernd bindende Einehe wird heute, sowohl im Anschlusse

an naturrechtlich-liberale Gedankengänge (denen die Ehe nur ein

Vertrag ist) wie im Anschlusse an marxistische Gedankengänge in

Schrifttum und Politik immer heftigerem Tadel unterworfen und

nicht selten für grundsätzlich brüchig erklärt. Nicht nur auf die

hohen Ehescheidungsziffern der Gegenwart, sondern auch auf die

schlimmen Eheschicksale hervorragender Menschen versuchte man

diese Kritik zu gründen.

Eine solche Kritik ist aber grundsätzlich. Die Ehe kann nur als Gemein-

schaft im Zusammenhange mit anderen Gemeinschaften, die Familie nur als

Anstalt im Zusammenhange mit dem anderen Anstaltswesen beurteilt werden.

Dann erscheint sie im Zusammenhange unseres gesamten sittlichen Lebens.

Dann erkennt man auch leicht, daß in einer Zeit, in der alle Gemeinschaften, von

der Religion bis herunter zur Sittlichkeit, und alle Verbände, von den staatlichen

angefangen bis herunter zu den wirtschaftlichen, zerrüttet sind — auch die Ehe

und Familie nicht gesund bleiben können! Bei keiner Überprüfung gesellschaft-

licher Zustände darf man den Einzelfall für sich betrachten, niemals darf man das

Subjektive oder gar die „Einsamkeit des Subjektes“ zur Grundlage der Betrach-

tung nehmen. Was Wunder, daß dabei die Niederlagen des Subjektes sehr in den

Vordergrund treten. Es ist, als ob jemand die olympischen Spiele nicht als

Weihefest des Volkstums und die Sieger als ihren Gipfel schilderte, sondern von

der Enttäuschung der Besiegten ausginge, deren ja mehr sind als der Sieger.

Man muß aber wissen, was das ganze Volks- und Kulturleben an Gewinn aus

jenen Kämpfen und Leiden davonträgt. Dann erkennt man, inwiefern sogar auch

die Besiegten Gewinner sind und nicht nur die Sieger.

Von da aus ist auch allein zu beurteilen, was es mit der Forde-

rung des Kommunismus nach Ersatz der Einehe durch „freie Liebe“

einerseits und allgemeiner S t a a t s e r z i e h u n g d e r K i n d e r

andererseits, auf die schließlich auch die „Kameradschaftsehe“ hin-

auslaufen müßte, auf sich hat. (Platon fordert keine a l l g e m e i n e

Staatserziehung, nur solche eines engen Kreises.)

Für das, was die Staatserziehung bedeuten würde, haben wir heute in den

verschiedenen Arten der „ A n s t a l t e r z i e h u n g “ sehr bestimmte Anhalts-

* S.

1

Uber Erziehung siehe unten unter „Ersatzvorgänge“, achtes Hauptstück,

S. 618 ff.