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Entfaltung des Spannschen Gesamtwerkes in die philosophische
Richtung im Keim gegeben. Die letzten Sätze der ersten Auflage
der „Gesellschaftslehre“ lauten: „Das endlich führt... zu einer en-
gen Verbindung mit den Normwissenschaften und, da diese nur
Teile der Philosophie sind, zu dieser. Logik, Ästhetik und Ethik,
die normativen Wissenschaften, und was an Metaphysik notwendig
dahinter steht, sind mit der Gesellschaftslehre aufs engste verbun-
den ... Das heißt es also, was wir schon eingangs erkannten, daß
sich in der Gesellschaft das menschliche Ich selber darstellt, daß sie
einen e t h i s c h e n Körper bildet. Die Wissenschaften von der
normativen Natur der Menschenseele sind die Quelle der Gesell-
schaftswissenschaften; in diesen Wissenschaften stellt sich die Seele
als unter den Gesetzen ewig vor ihr glänzender Ideale stehend dar,
als eine werdende, emporringende ethische Kraft. Die Gesellschafts-
lehre aber ist die Geburtslehre dieser Kraft, sie zeigt, wie alles, was
in dem ungeheuren Meere der menschlichen Gesellschaft wogt und
rollt, strömt und stürmt, gestaltet und kämpft, liebt und haßt, nur
dazu dient, um immer wieder die einzelne Menschenseele, die ein-
zelne Welle, glänzend und rein emporzuheben.“
1
7.
Durch die Behandlung der Abgeschiedenheit in allen drei Auf-
lagen der „Gesellschaftslehre“
2
deutet diese Vorwegnahme auf den
hohen Rang hin, den Spann in seinem späteren Werke der M y s t i k
zuerkannte: Gesellschaftsphilosophie (München 1928), 2. Auflage,
Graz 1968; Philosophenspiegel (Leipzig 1933), 2. Auflage, Wien
1950; Religionsphilosophie auf geschichtlicher Grundlage, Wien
1947; Meister Eckeharts mystische Philosophie im Zusammenhang
ihrer Lehrbegriffe dargestellt — erscheint in der Othmar Spann
Gesamtausgabe als Band 18; Gespräch über die Unsterblichkeit,
Othmar Spann Gesamtausgabe, Band 20, Graz 1965.
So erweist sich die „Gesellschaftslehre“ als der wahre Schlüssel
zum Gesamtwerke Othmar Spanns.
In den beiden Schlußabsätzen seines Vorwortes zur dritten Auf-
lage der „Gesellschaftslehre“ kennzeichnet Spann nochmals deren
geistigen Ort in seinem Lebenswerke und sagt, im Jahre 1929 das
Kommende vorahnend: „Trifft uns trotzdem das Ungestüm der
Gegner, so bleibt uns nichts übrig als das Bewußtsein der guten Ab-
1
Erste Auflage, Berlin 1914, S. 368.
2
Vgl. erste Aufl., S. 284—302, zweite Aufl., S. 184—209, oben S. 227—252.