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ungelesen geblieben. Vor jener Lehre von der Todesschwäche un-

serer Zeit hat die Lehre vom Fortschritte immerhin noch Freudig-

keit, Zuversicht und Lebensstärke voraus.

C.

Entfaltung gegen Fortschritt und Lebensmechanik

Wird die Schwäche der Fortschrittslehre heute überall empfun-

den, so erscheint die Lehre Spenglers doch insofern bestechender,

als die Menschen der heutigen Götterdämmerungsstimmung mit

ihrer Kulturmüdigkeit über die geschichtliche Tatsache, daß Völker

und Kulturen wirklich zugrunde gingen, schwer hinwegzukommen

wissen.

Auf alle diese und ähnliche Fragen — wie sie auch von ver-

wandten Geschichtslehrern, z. B. Nietzsches „ewiger Wiederkehr

des Gleichen“, gestellt / werden

1

— gibt es eine einzige Antwort. Sie

heißt: Die G e s c h i c h t e i s t G e i s t . D e r G e i s t a l t e r t

n i c h t .

Wer den Gang der Geschichte erfassen will, muß das Wesen des

Geistes erfassen. Es ist das Wesen des Geistes, daß er sich s e l b s t

immer näher kommt und von Vertiefung zu Vertiefung strebt. Der

Geist hat Macht über sich selbst und diese Macht kommt aus sich

selbst her. Der Geist ist sein eigener Anfang, denn er hat S c h ö p -

f e r t u m in sich. Der Geist hat darum ein anderes Zeitgesetz als

der Leib. Der Leib stockt und altert, der Geist stockt nie. Er wird

in sich selbst immer vollendeter und gestalteter, sein Wachstum geht

nach innen, nicht nach außen. Er dringt immer tiefer in sich selbst

hinab und speist sich aus nie versiegenden Quellen. In diesem Sinne

darf man sagen, daß es im Wesen des Geistes liegt, sich unaufhörlich

zu verjüngen. Der Geist kennt keine „Blüte“, der das „Welken“

folgen müßte. Er hat nur die Aufgabe, sich immer mehr selbst zu

besitzen. Seinen wahrsten Weg zeigt die mystische Versenkung. Sie

findet ihr Ziel in Gott.

1

Daß die Lehre vom Kreislaufe nur einen Sinn hat in Verbindung mit der Lehre

von der Ewigkeit der Weltseele und der Vorexistenz der Seele, darüber hatte

sich Nietzsche kaum Rechenschaft gegeben. Er verfiel immer wieder in natura-

listisches Denken.