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anderen Seite reden können, sondern nur von „Anhäufung“, nur
von „Ansichziehen“ der Begabungen.
Darum ist die Auslaugung auch nicht mit wahrer A u s l e s e
einerlei. Überhaupt handelt es sich dabei nicht um den Ausfall der
einzelnen hochwertigen Kräfte als solcher im ausgelaugten Gebilde
(also eine „Selektion“ im Sinne Darwins), sondern um den Ausfall
der g e i s t i g e n Lebenszelle im ausgelaugten Gebilde, um die
Lücken, welche in der geistigen Stetigkeit, in der Bildung einer gei-
stigen Ü b e r l i e f e r u n g gerissen werden.
Großstadt und Großwirtschaft laugen alle kleineren Gebilde
rings um sie herum an Begabungen aus, aber sie bilden sich diese
nicht organisch zu, sie gliedern sie nicht in echte Gemeinschaften ein.
D a h e r i s t n i e m a l s i n d e r G e s c h i c h t e d i e B e -
g a b u n g s o s e h r v e r g e u d e t w o r d e n w i e h e u t e .
Daher kann auch heute das größte Industriezentrum, kann selbst
die Millionenstadt keine hohe Kunst pflegen, daher geht sogar die
Höhe des wissenschaftlichen Lebens zurück.
Lange Zeit lebte das Großgewerbe mit davon, daß der Hand-
werker die hochwertigen Arbeiter ausbildete, die das Großgewerbe
selbst nicht ausbilden konnte. Erst als das Handwerk soweit zerstört
war, daß der Nachwuchs ausblieb, erst dann sehen wir die Großwirt-
schaft genötigt, in sich selbst hochwertige Arbeiter auszubilden (z. B.
durch eigene Werkschulen, wofür die unter dem unschönen Worte
„Dinta“ bekannte wertvolle Anstalt
1
ein Beispiel bildet).
/
Die Tatsache, daß die Auslaugung, welche durch Großstadt und
Großwirtschaft geschieht, die herangezogenen Begabungen jeweils
nur für ihre einzelnen Aufgaben zu bilden und also mehr in techni-
scher Weise zu nutzen versteht, nicht aber in eigene, in sich selbst
wieder fruchtbare Gemeinschaften einzugliedern vermag, dünkt uns
von größter geschichtlicher Tragweite. Wir müssen in ihr nicht nur
eine Schwächung der ausgelaugten Gebilde, sondern auch eine V e r -
e i n z e l u n g d e s b e g a b t e n M e n s c h e n erblicken. Ver-
einzelung (Gezweiungslosigkeit) aber bedeutet überall geistigen Still-
stand, Austrocknung.
1
Deutsches Institut für technische Arbeitsschulung, Düsseldorf; siehe auch Karl
Arnold: Die menschliche Arbeitskraft im Produktionsprozeß, ihre Schulung
und Erhaltung, Bielefeld 1926.