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Daraus ergibt sich klar, daß das dialektische Verfahren keines-
wegs als zeitliche Entwicklung, sondern als logische Entwicklung,
keineswegs als Geschichte, sondern als Gefügelehre, als Lehre von
dem systematischen Aufbau der Welt nach inneren Setzungs-, Ge-
gensetzungs- und Ineinssetzungsschritten auftritt und auch nur so
auftreten kann. Die Schwierigkeit ist öfters bemerkt worden, die
darin besteht, daß das dialektische Verfahren aber schließlich doch
an einem Punkte, nämlich dort, wo es auf die Geschichte der
Menschheit stößt und damit unvermeidlich zu G e s c h i c h t s -
p h i l o s o p h i e werden muß, in die zeitliche / Ebene übergeht.
D i e s e r Übergang von der Erklärung des dialektischen Gefüges
der Welt zur Geschichte ist systemwidrig, ist eine echte pex^ßaacC
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Daher auch die andere, am Hegelischen Begriffsgebäude gerügte
Schwierigkeit: daß es als Geschichte (als Fortgang der Gegensätze
in der Zeit) das Ende nicht finden kann. Während in der zeitlosen
Dialektik das Ende begriffsgemäß in der Einheit des absoluten Gei-
stes als der „sich wissenden Vernunft liegt, welche mit einer Set-
zung beginnt und durch Widerspruch hindurch zu immer höheren
Synthesen kommt, daher zuletzt folgerichtig bei einer höchsten
K o n k r e t i o n endet; ist für den zeitlichen Fortgang, w e i l e r
i m B e g r i f f s a n s a t z e n i c h t l i e g t , kein Ende abzusehen.
Anders die ganzheitliche Auffassung. Sie hat den Vorzug, eine
zweifache Ausgliederungsebene begriffsmäßig anerkennen zu kön-
nen und beweist damit ihre Wirklichkeitsnähe, die s y s t e m a -
t i s c h e Ausgliederung oder die Ausgliederung im engeren Sinne,
und die z e i t l i c h e Ausgliederung, die sich planmäßig ändert,
daher schicklich „Umgliederung“ heißt. Die Umgliederung oder
Entfaltung in der Zeit ist die Geschichte. Wie es eine Ausgliede-
rungsordnung gibt, die das zeitlose Gefüge der Ganzheit zeigt, so
auch eine U m g l i e d e r u n g s o r d n u n g , die ihre Entfal-
tungskategorien in der Zeit enthält (z. B. Jugend—Reife und so
fort). — Wie die Ganzheit sich im „Systeme“ entfaltet, so entfaltet
sie sich auch in der Umgliederung und findet daher in ihrer Ent-
faltung in der Zeit auch notwendig einmal ein Ende. Der Fortgang
ins Unendliche — der dem sinnvollen und gefügehaften Bau der
Welt widerspräche, welchen das dialektische Verfahren an sich ver-
langen würde — ist damit vermieden. Die „schlechte Unendlich-