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B. Die Volkswirtschaft
Auf dem Grunde dieser Vorrangsätze ergibt sich nun die Frage:
ob das Bestreben nach möglichst großer innerer Selbstversorgung
aller unter der Weltwirtschaft stehenden Stufen, insbesondere der
Volkswirtschaft, noch einen Sinn, noch eine Wesensmöglichkeit
habe? Läßt sich das Streben nach Selbstversorgung noch mit dem
Vorrange der Weltwirtschaft vereinigen? Wenn / Weltwirtschaft vor
Volkswirtschaft ist — kann dann die Volkswirtschaft noch ihre mög-
lichst geschlossene Ausbildung aller Wirtschaftskräfte, die bis zur
annähernden Selbstversorgung führen könnte, wesensgemäß an-
streben?
Die Beantwortung dieser Frage ist grundlegend für die gesamte
Volkswirtschaftspflege. Denn es handelt sich dabei nicht nur um die
Ein- und Ausfuhr von Rohstoffen und Erzeugnissen, das heißt um
Schutzzoll oder Freihandel, wie die herkömmliche Meinung will, es
handelt sich dabei ebenso um sehr viele andere Dinge, die von der
alten klassischen Theorie meist übergangen oder übersehen wurden,
so um:
Frachten-, Eisenbahn- und Schiffahrtsschutz;
um Einwanderungs-, Auswanderungs- und Niederlassungsför-
derung oder -Verhinderung, das heißt um die Einverleibung oder
Fernhaltung von Personen und ihren Geschicklichkeiten aus anderen
Wirtschaftskreisen;
ferner handelt es sich um die Übernahme oder Abweisung
fremden Kapitals, fremder Beteiligungen;
um die Übernahme oder Abweisung neuer Erfindungen und
Techniken, neuer Unterrichtsanstalten, neuer Ausbildungsweisen für
Arbeiter wie für Unternehmer;
weiter um dasjenige, was in der universalistischen Lehre „Kapital
höherer Ordnung“ genannt wird (dieser Begriff kann hier nicht er-
klärt werden, als Beispiel diene nur das Handels- und Wechselrecht,
die Handelsverträge, das Währungswesen und ähnliche Maßnahmen
des Staatsmannes, die für jeden Wirtschafter passive und aktive
W i r t s c h a f t s m i t t e l sind
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);
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Vgl. mein Buch: Fundament der Volkswirtschaftslehre (1918), 4. Aufl., Jena
1929, S. 101 ff. und öfters [5. Aufl., Graz 1967, S. 125 ff. und öfters].