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zum erstenmale gebraucht haben soll), von Lessing bis zu Darwin,

Haeckel und Lamprecht, ja bis heute und wohl auch bis morgen

reicht diese Richtung ungeschichtlichen Denkens.

Von geschichtsphilosophischen Lehrgebäuden, die auf dem Boden

der Aufklärung entstanden, sind nunmehr die wichtigsten kurz

herauszuheben.

2. Vico

Der Italiener Giambattista Vico

1

darf mit einigem Rechte als der

erste naturalistische Geschichtsphilosoph gelten. Sein Werk ist aber

keineswegs einheitlich; es trägt metaphysische und naturalistische

Züge, die einander widersprechen. Es fehlt nicht an Verworrenhei-

ten, indessen auch nicht an tiefsinnigen Bemerkungen.

Vico entwickelt seine Lehre zunächst in über 100 unzusammenhängenden

„Lehrsätzen“. Aus ihnen und der späteren Darstellung kann man folgendes her-

ausheben: „Die neue Wissenschaft“ fragt nach der gemeinsamen Natur der Völ-

ker, um die „ewige, ideale Geschichte“ festzustellen. Die Geschichte ist von Men-

schen gemacht. Das natürliche Recht ist gesondert bei allen Völkern entstanden.

Die menschliche Natur ist überall die gleiche; Gesellschaft und Geschichte aller

Völker zeigen gleichen Lauf (4. Buch; hier scheint Vico einen Gedanken des

Polybios aufgegriffen zu haben). Die „ideale Geschichte“ besteht ihm darin, daß

alle Völker durch dieselbe Stufenfolge der Bewegung gehen, nämlich die fünf

Stufen des: Entstehens (roh); Fortschrittes (streng); der Blüte (milde); des Ab-

stieges (weichlich) und Endes (zügellos). — Zugleich unterscheidet Vico drei

Zeitalter: das göttliche, heroische, menschliche, denen drei Arten von Naturen

entsprechen: die schöpferische Phantasie, der Wille, das theoretische Denken;

ebenso drei / Arten von Regierungen: die theokratische, die heroisch-aristokra-

tische, die monarchisch-republikanische, in der alle Menschen gleich sind, ebenso:

drei Naturrechte, drei Sprachen (und anderes mehr). — Die menschlichen Wil-

lenshandlungen, die göttliche Vorsehung, die natürlichen Bedingungen und die

Ideen sind die Bestandteile der geschichtlichen Ursächlichkeit.

Naturwissenschaftliche und metaphysische Bestandteile sind, wie ersichtlich,

bei Vico unausgeglichen nebeneinander zu finden. Die Vorsehung versteht er

dahin, daß sie die selbstsüchtigen Absichten der Menschen für ihre Zwecke nützt.

Die geschichtlichen Naturgesetze sind ihm auf diese Weise zugleich Mittel in

Gottes Hand. Ferner scheint trotz der naturhaften Abläufe der Geschichte nach

Vico das Ziel der Menschheitsentwicklung über die Sinnenwelt hinauszuweisen.

Das irdische Ziel scheint ihm eine „ideale Republik“ nach Art des rationalisti-

schen Naturrechtes zu sein. — In der Gegenwart hat der Neapolitaner Benedetto

C r o c e, ein Neuhegelianer, wieder an Vico angeknüpft und ihn mit Hegel in

Verbindung gebracht.

1

Giovanni Battista Vico: Principi di una scienza nuova d’intorno alla

communa natura della nazioni, 2 Bde, Neapel 1725, deutsch von Erich Auer-

bach unter dem Titel: Die Neue Wissenschaft über die gemeinschaftliche Natur

der Völker, München 1924.

2*