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wußt. „ Ihr s e i d G ö t t e r und allzumal Söhne des Allerhöch-

sten“ sagt Christus selbst

1

.

Der Geist ist ein Inbegriff von unergründlichen Möglichkeiten,

eine verborgene Fülle unerschöpflicher Art. Das Denken, Gestalten,

Leben ist die ausgebreitete Fülle des Geistes; die stoffliche Welt

sodann ist seine (von den immateriellen Wurzeln der Materie aus-

gehende) fernste Entsprechung; die Verbindung des in Kräfte ent-

falteten Geistes mit der stofflichen Welt ist die Gezweiung höherer

Ordnung. Darum: als Himmel und Erde entstand, kümmerte das

seine Gottheit nicht, denn das waren Folgerungen, die sich aus der

Schöpfung des Unmittelbaren ergaben, Entsprechungen des Geistes.

Die Schöpfung des Geistes allein, des „Seelengrundes“, des „Fünk-

leins“ der Menschheit, gehört der Urschöpfung an. Der Geist ge-

staltet die Welt in den Folgerungen, die aus den inneren Urunter-

schieden (Differenzen) des Geistes gesetzt werden. Zu diesen Folge-

rungen gehört auch die für das Geschichtliche Entscheidende, der

Fortgang in der Zeit (der später betrachtet werden muß). Darum

sprach Eckehart das dunkle Wort: Gott tut nichts, wenn er die

Welt schafft, er tut aber etwas, wenn er den Geist, die Seele schafft,

und setzt sich / dabei ganz ein. „Wir im Rate der heiligen Dreifaltig-

keit, wir machen einen glichen

2

.“ Das tut er unaufhörlich in jedem

Menschen. Denn die Urschöpfung ist zeitlos, sie hat kein nun und

da, sondern eher ein immer und überall. Der Seelengrund, das ist

klar, ist nicht faßlich, denn er ist innebleibend, ist unmittelbar;

aber die Seelenkräfte scheiden sich (differenzieren sich), sind faßlich.

Sie nehmen vom Grunde nach ihrer Weise auf. Dadurch sind Set-

zungen in der Welt, bestimmte Fassungen, Gestaltungen, die in

ihren immer fortgehenden E n t s p r e c h u n g e n das All ergeben

Aber weiter! Indem durch die Scheidungen (Differenzierungen)

und Entsprechungen die einzelnen Seelen- und Geisteskräfte und

die Wesen entstehen, nehmen sie am Unmittelbaren je auf ihre

Weise teil. A l l e W e s e n b l e i b e n i m U n m i t t e l b a r e n

r ü c k v e r b u n d e n und empfangen auf ihre Weise. Hier gilt

die tiefblickende Wahrheit des alten aristotelisch-scholastischen Sat-

1

Johannes, Kapitel 10, Vers 34; Psalm 82, Vers 6.

2

Meister Eckehart, Ausgabe Franz Pfeiffer, Seite 179, Zeile 22 ff.