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e r l e g t e W e s e n s b e t ä t i g u n g im Sinn der Einordnung in

den als physisches und sittliches Gebilde gefaßten Kosmos“

1

. — Das

Rita ist zwar nicht persönlich zu denken, wohl aber die es befas-

sende höchste Gottheit!

Unverkennbar ist hier die Analogie auch mit dem chinesischen

T a o , mit welchem sich der Mensch in E i n k l a n g setzen soll.

Der Begriff der Freiheit ist hier mittelbar insofern gesetzt, als

der Mensch wesensgemäß dem Tao folgen soll, sich demselben hin-

zugeben hat.

Bei Z a r a t h u s t r a herrscht der unerschütterliche Glaube an

die Fürsorge Gottes

2

, ohne daß eigene Tätigkeit ausgeschaltet wäre.

Die A r m a i t, „Ergebenheit“, ist ihm ein Element des vollkom-

menen Gottesreiches, gehört zu den A m e s h a S p e n t a s .

In Sophokles’ „Ödipos auf Kolonos“ finden wir den gewaltigen

inneren Kampf, von dem harten g r i e c h i s c h e n S c h i c k - /

s a l s b e g r i f f zum Begriff der Aufgehobenheit und der Gott-

ergebung fortzuschreiten, wie es die gewaltigen Schlußworte be-

kunden: „Fest steht dies alles und heilig“ (ίερός).

Die Worte Christi, aus mystischem Grund verstanden, schneiden

jede spekulative Verirrung ab: „ ... Trachtet zuerst nach dem Reiche

Gottes und nach dessen Gerechtigkeit, und jenes alles wird euch

hinzugegeben werden“

3

. „Der Geist ist’s, der da lebendig macht“

4

.

Wo sich dagegen eigene Schicksalsgottheiten, M o i r e n , P a r z e n , N o r -

n e n ausbildeten, handelt es sich um exoterische Bilder und eine Abschwächung

der mystischen Erfahrung durch Hypostasierungen; noch mehr dort, wo sich

A s t r o l o g i e breitmacht, das heißt, wo das Schicksal im Wandel der Gestirne

vorgebildet sein soll, wie besonders im Babylonischen Religionssystem. Hier ist

die mystische Erfahrung des Aufgehobenseins bei Gott ins Äußerliche projiziert.

4.

Gottesliebe, Menschenliebe, Geschöpfesliebe, Naturliebe

Indem die mystische Gotteserfahrung die Einheit des mensch-

lichen Geistesgrundes mit Gott in sich schließt, geht daraus von

1

Julius von Negelein: Weltanschauung des indogermanischen Asiens, Erlan-

gen 1924, S. 103 (angeführt bei Wilhelm Engel: Die Schicksalsidee im Altertum,

Erlangen 1926, S. 50). Von mir gesperrt. — Ober Freiheit durch Erkenntnis

vgl. z. B. Chândogya-Upanishad 8, 1, 6; 8, 3, 4; 8, 5, 1 und öfter.

2

Vgl. z. B. Gatha, 46, 7; 50, 1 und öfter bei Carl Friedrich Geldner, in:

Religionsgeschichtliches Lesebuch, Teil 1, Tübingen 1926, S. 5 und S. 14.

3

Lukas 12, 31.

4

Johannes 6, 53.