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gang im Abstieg der monotheistischen Religionen zum Polytheismus,
schließlich zu niederen Dämonen.
Der Weg von der M y s t i k z u r M a g i e fuhrt zu einem
Gottes-, Geist- und Naturbewußtsein geänderter Art.
Das veränderte Geistbewußtsein bewirkt ein Hervortreten der
eigenen geistigen Vermögen (nicht mehr nur bestimmt von der Ein-
heit des eigenen Geistes mit Gott): eine Aufteilung des „in allen
Dingen wirkenden göttlichen Seinsgrundes“ (Bd 16, 154) in selb-
ständigere Teilmächte.
Es kommt zu einer „Dezentrierung“, was aus zwei Phänomenen
ersichtlich ist:
(1) Die hohen Götter bzw. die Vielgötterei. Dabei ist zu beachten,
daß jeder Polytheismus nur auf Grund eines Monotheismus zu sehen
ist, das heißt, daß die hohen Götter nicht als selbständige Wesen,
sondern als Teilemanationen der e i n e n Gottheit aufgefaßt werden.
(2) Der Mensch tritt in ein immer mehr naturverbundenes Ver-
hältnis zur Welt; jetzt kommen jene im mystischen Bewußtsein latent
enthaltenen m a g i s c h e n Kräfte zum Vorschein. „Der große
Mystiker hat auch latenterweise . . . magische Kräfte in sich und ver-
mag in diesem Sinne die Natur zu beherrschen“ (Bd 16, 143).
Das Werkzeug hiezu ist die M a g i e , sie ist zugleich jenes Prinzip,
das die unmittelbare Wirkungsmacht des Geistes über die Natur er-
möglicht.
„Magie besteht in der u n m i t t e l b a r e n Bezugnahme des
menschlichen Geistes auf die immateriellen Wesenheiten der Dinge“
(Bd 16, 253).
Charakteristisch erscheint die mehrdeutige „Gerichtetheit“ von
Magie: einerseits zum mystischen Bewußtsein selbst, anderseits zur
Welt der Religion und der naturhaften Dinge, und schließlich zum
Menschen hin.
Diese „unmittelbare“ Bezugnahme heißt nach Spann „Rapport“,
wobei sich dieser unter höchster Konzentration zu vollziehen hat. Er
kann sich erstrecken auf:
(1) beseelte, geistige Wesen, indem er ihr geistig-seelisches Zentrum
beeinflußt (Telepathie);
(2) naturhafte, materielle Dinge, indem er sie mit „immateriellen
Wurzeln oder Zentren denkt“ (Bd 16, 156).