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Arteigenes, das man auch als Gefühl bezeichnen könnte. Er zeigt an,
daß Gott in der Seele des Menschen ist, wie auch umgekehrt die
Seele des Menschen in Gott ruht. Dann aber die Liebe. Hiebei haben
wir zu bedenken, daß der Mensch als solcher nicht allein leben kann,
sondern nur in der Verbindung mit der Gemeinschaft (Gezweiung)
sein Leben gestaltet. Dies ist nur möglich durch die Liebe. Liebe,
die sich zu Gott hin als Gottesliebe nach oben und auf der Ebene
der Menschen als Menschenliebe manifestiert. Und als Abschluß
dieses Prozesses: die Erkenntnis. Wenn Religion Rückverbundenheit
des Menschen in Gott ist, dann ist eben Gotteserkenntnis für den
Menschen über die Rückverbindung gegeben. Damit ist nun Re-
ligion: „Bewußtsein eines bestimmten, das heißt k o n k r e t e n
u n d r e a l e n Verhältnisses des Menschen zu Gott, als des Rück-
verbundenen zum Rückverbindenden, Verhältnis eines Konkreten
zu einem Konkreten“ (Bd 16, 18).
Wenn der Mensch mit der Religiosität eng verbunden ist, wenn
diese ihn durchdringt, dann wird sie auch zur Quelle der Sittlichkeit.
In diesem Bereich aber kommt entscheidend die menschliche Freiheit
ins Spiel. Dabei ist bei der Religion besonders das Reale, das Konkrete
zu bedenken, ein bloß abstraktes Verhältnis wäre Philosophie.
Bei der Erkenntnis, die wir bisher aufgezeigt haben, hat der
Glaube den Vorrang, denn er beruht auf einem unmittelbaren inneren
Erhellen des Transzendenten. Glaube heißt ursprünglich Sich-Anver-
trauen, Sich-Hingeben, Sich-Angeloben und damit Hoffen auf das
Höchste und Letzte. Glauben und Erkennen sind eng miteinander
verbunden, genau so wie Glauben und Werk. Da Glaube unmittel-
bar aus dem Übersinnlichen fließt, erhält er von diesem das Ge-
präge, aber er ist nur möglich, wo Liebe ist; er setzt Erkenntnis vor-
aus, da er sonst blind wäre, er benötigt Gestaltung, da er sonst un-
wirklich wäre, und schließlich Wollen und Wirken.
Die Quellen der Religion erschließen sich nur demjenigen, der in
Gott versunken ist, daher sind alle positivistischen und spiritualisti-
schen Theorien im Ansatz falsch. Wer das Gottesbewußtsein und da-
mit die Religion in ihrer Ganzheit verstehen will, muß über zwei Vor-
aussetzungen verfügen:
(1) über mystische und
(2) über magische Erfahrung.