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So w i r d S t a n d z u r L e i s t u n g s g e m e i n s c h a f t
a u f G r u n d v o n L e b e n s g e m e i n s c h a f t .
2. Eigenleben und Sachsouveränität
Als weitere entscheidende Ableitungen aus dem ganzheitlichen
Standesbegriffe seien angeführt:
(1) Die E i g e n w u r z e 1 i g k e i t o d e r E i g e n s t ä n -
d i g k e i t d e r S t ä n d e . Alle Teilganzen oder Stände wurzeln
unmittelbar im Schoße der Ganzheit. Sie sind alle arteigene Dar-
lebungen des Gesellschaftsganzen und entstammen unmittelbar in
gleicher Weise dessen Urgrunde. Kein Stand kann aus einem oder
mehreren anderen oder aus der Gesamtheit der anderen hergeleitet
werden — er kommt vielmehr aus sich, aus seinen Verrichtungen, das
heißt aber aus der Ganzheit (Religion oder Kunst sind z. B. nicht aus
dem Staate hergeleitet, sondern eigenständig).
(2) Die S t ä n d e h a b e n E i g e n l e b e n . Diese vita
propria kommt allem Ganzheitlichen zu, denn die lebendige Ganzheit
kann sich nur in lebendigen Gliedern darleben. In diesem Eigenleben
liegt die Freiheit des Standes begründet, die allerdings nicht eine Frei-
heit schlechthin, sondern eine befaßte, eine Freiheit in Bindung ist.
Die Bindung wurzelt in den Lebenserfordernissen der Ganzheit.
Auch hier handelt es sich um einen Wesenszug jeder menschlichen
Gesellschaft. Auch die radikalste Diktatur und der durchgängige
Zentralismus vermögen dieses Eigenleben nicht restlos auszutilgen.
(3) Die S t ä n d e h a b e n e i n e a r t e i g e n e H e r r -
s c h e r g e w a l t . Spann nennt diese Herrschergewalt „S a c h -
s o u v e r ä n i t ä t“, um damit anzudeuten, daß sie aus den Ver-
richtungen des Standes und damit aus dem Ganzen der Gesellschaft
herrühre, nicht aber fremder Herkunft sei. Dies trotz aller Ober-
leitungsbefugnisse, die, wie wir sehen werden, dem Staate zukommen.
Auch hier handelt es sich lediglich um einen Grundzug gesellschaft-
lichen Lebens, der in sehr verschiedenem Ausmaße durchgestaltet
sein kann. Bei Vollentfaltung etwa als öffentlich-rechtliche Befug-
nisse und als Disziplinargewalt, sonst etwa lediglich keimhaft als
Gewohnheitsrecht, Sondervereinbarungen, Sitte und Brauch, die sich
etwa in Verruf, faktischem Ausschluß usw. auswirken können.