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Es ist in diesem Buche nicht am Orte, ein Lehrstück des Preises zu

entwickeln. Jedoch muß wenigstens so weit auf diese Frage

eingegangen werden, daß die Leistungsmäßigkeit (Funktionalität) des

Preises, seine gliedhafte statt der vermeintlich kausalen Natur, seine

bloß abgeleitete statt der vermeintlich ursprünglichen und seine

Irrationalität dargetan wird.

I.

Zur Kritik der bisherigen Preislehre

Die gegenwärtige Volkswirtschaftslehre nimmt keine einheitliche

Stellung zur Preislehre ein. Soweit die heute vorherrschende

geschichtliche und realistische Schule in Betracht kommt, herrscht ein

mehr oder weniger offen eingestandener Zweifel, wenn nicht

Nihilismus aller Preiserklärung gegenüber. Die echten Nachkommen

Ricardos dagegen, wie sie namentlich in Cassel einen anerkannten

Vertreter finden, wollen noch immer mathematisch bestimmbare, also

ursächlich-mechanische Preisgesetze nach Art des alten Gesetzes von

Angebot und Nachfrage finden (wonach sich ja die Preise umgekehrt

proportional zum Angebot verhalten sollen). Cassels Preistheorie ist

nicht ganz einheitlich, fußt aber vor allem auf dem „Prinzip der

Knappheit“, das zuletzt doch nur eine verfeinerte Form des Angebot-

und-Nachfrage-Gesetzes darstellt. Als mathematisches Formelsystem

betrachtet, beruht es auf einer harmlosen Tautologie. — Die dritte

Hauptgruppe, die allerdings in Deutschland nie durchdrang und nun

auch in Amerika seit dem Vordringen der „institutionellen Schule“

abgetan ist, ist die Grenznutzenschule. Menger erklärte den Preis wie

Ricardo nach „exakten Gesetzen“, aber aus dem Zusammentreffen der

subjektiven Wertschätzungen. Wir wählen für unsere Darstellung

jene Fassung, die ihr Böhm-Bawerk gab, da diese die einflußreichste

wurde.

Böhm-Bawerk

1

betrachtet ebenso wie die alte klassische Lehre, wonach das

„Gleichgewicht“ zwischen angebotenen und nachgefragten Mengen den Preis /

bestimmen soll, den Markt als einen atomistischen Haufen und die Preisbildung

* S. * S.

1

Eugen von Böhm-Bawerk: Positive Theorie des Kapitales (Kapital und

Kapitalzins, Abt. 2), 3. Aufl., Innsbruck 1912, S. 346 ff. Böhm-Bawerk hat seine

Preislehre auf den ursprünglich von Carl Menger und Friedrich von Wieser

geschaffenen Grundlagen aufgebaut. — Von Wieser hat dann eine vorsichtigere

Preiserklärung entwickelt, die aber nicht zur Klarheit gedieh: Wirtschaft und

Wirtschaftswissenschaft (= Grundriß der Sozialökonomik, Bd 1), Tübingen 1914,

S. 253 ff.