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[322/323]

II. Induktives und deduktives Verfahren

Die vielverbreitete Auffassung, daß der Gegensatz zwischen der

abstrakten (österreichischen) und der geschichtlichen Schule ein /

solcher von Induktion und Deduktion sei, ist unzutreffend. Schmoller

sagt, daß die Vertreter der geschichtlichen Forschung durch „zahlreiche

Induktionen“, und indem sie nicht aus e i n e m Motiv, dem

„Eigennutz“, deduzieren, sondern „anderweite Deduktion“ zuhilfe

nehmen, „das Gebiet der bloß hypothetischen... Schlüsse... einengen“ *.

Diese anderweitigen Deduktionen beziehen sich darauf, daß außer dem

Eigennutz auch andere Motive (z. B. der Gemeinsinn) als Prämissen für

das wirtschaftliche Handeln betrachtet werden sollen.

Diese Auffassung, die heute noch vorherrscht und die z. B. auch

Adolph Wagner teilt

2

, beruht auf einem doppelten Fehler. Erstens

verwechselt sie die „Motive“ des wirtschaftlichen Handelns mit seiner

Natur. „Motive“ sind aber nichts anderes als (in naturalistischer,

kausaler Aufmachung) die „Ziele“, denen ja das Handeln nur als Mittel

dient. Wer aus „Gemeinsinn“ handelt, will Ziele bestimmten Inhaltes,

„gemeinnützige“ Ziele erreichen; wer aus Ehrgeiz handelt, will andere

Ziele erreichen: die Ziele tun aber nichts zur Sache, auf das innere

Gesetz des Umgehens mit den Mitteln, welchen Zielen immer sie

dienen, kommt es in der Theorie der Wirtschaft an. Die mangelhafte

Unterscheidung von Mittel und Ziel hat die ganze heillose Verwirrung

der sogenannten „Motivationstheorie“ angerichtet, mit der Schmoller,

Roscher (hingegen nicht auch Knies), ferner Schäffle, Adolph Wagner,

von Philippovich und andere die Verfahrenlehre zu „vertiefen“

suchten

3

.

Die Auffassung, daß der Verfahrenstreit sich um Induktion und

Deduktion drehe, verwechselt ferner die Frage der grundsätzlichen

Bedeutung abstrakten und geschichtlichen Verfahrens mit der, ob die

Deduktion zur Begründung der Wissenschaft aus r e i c h e oder nicht,

das heißt, sie sagt nichts darüber, ob die Deduktion aus dem

1

Vgl. z. B. Gustav Schmoller: Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Bd

1, Leipzig 1900, S. 110.

2

Adolph Wagner: Grundlegung der politischen Oekonomie (= Lehr- und

Handbuch der politischen Oekonomie, Bd 1), 3. Aufl., Leipzig 1892, S. 53.

3

Eine Zusammenstellung in meinem Buche: Wirtschaft und Gesellschaft, Dresden

1907, S. 20 ff.