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als ein Eigenes (über den Individuen Wirkendes) leugnen muß, sieht er
den Wald vor lauter Bäumen, das Ganze vor lauter (angeblich absolut
selbständigen) Einzelnen nicht. — Obwohl der / Individualismus von
den Sophisten bis zu den heutigen Nachfolgern des Naturrechtes eine
große Rolle in der Geschichte gespielt hat, verkennt er das Wesen des
Gesellschaftsganzen und verabsolutiert zu Unrecht das Individuum.
(Davon noch später mehr.) Der Individualismus ist ein Grundirrtum;
das wird sich später noch deutlicher zeigen.
Nun die zweite Denkform des Gesellschaftsganzen, die gleichfalls
von Platon bis Fichte-Hegel und heute eine große Rolle spielt, der
Universalismus.
Ihm ist das Ganze das Primäre, nicht das Individuum. Sein
Zentralbegriff ist der vom Ganzen. Das Ganze ist ihm „Ganzheit“, das
ist die formende, aufbauende Kraft, welche das Individuum zum Leben
und zur Entwicklung bringt, welche die Vielen zu einer Einheit
zusammenfaßt (Beispiel: der Organismus gegenüber seinen Zellen). Das
Ganze ist dadurch als Lebensbedingung in jedem seiner Teile gleichsam
anwesend; es ist der Herd und Halt des Lebens der Einzelnen. Das
„Ganze“ ist die Amme der Einzelnen.
Und daher: der Staat ist kein Vertrag für Einzelne (die ohne ihn, vor
ihm schon da wären), sondern ihre lebendige, geistige Gemeinschaft
über ihnen; die Gesetze sind nicht Mittel der Auseinandersetzung und
Abgrenzung der Freiheitsrechte Einzelner, sondern vielmehr wahre
Bildungsmittel für die Einzelnen; sie sind, wie Platon und Aristoteles es
ausdrücken, dazu da, um die Bürger besser zu machen
1
. — Das Ganze
ist daher dem Universalismus n i c h t (wie die landläufige Meinung
will) der Kronos, der seine eigenen Kinder verschlingt; es ist nicht jener
Moloch, dem sich das Individuum hinopfern muß; es ist auch nicht der
wirkliche Organismus, in dem die Selbständigkeit der Teile
verschwinden müßte, — alle solche Folgerungen (Altruismus,
Organizismus und anderes), welche eigent-
1
Vgl. Platon: Staat, Gesetze und Gorgias, 517 (zu tun, „wodurch die Bürger besser
werden . . .; dies ist das einzige Geschäft des guten und rechten Staatsmannes“);
Aristoteles: Politik, Drittes Buch, V., 11, und öfter.