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Das V e r h ä l t n i s v o n M a n n u n d W e i b in der Gezweiung ist da-

durch gekennzeichnet, daß das mehr tätige, verständige (rationale) und mehr auf

das Allgemeine, wie auf das Äußere gerichtete Wesen des Mannes dem Weibe als

dem empfänglichen, aufnehmenden, mehr naturhaften (irrationalen) und auf das

Besondere, wie nach innen gerichteten Wesen gegenübersteht. Darum ist die

Schattenseite und Gefahr des Mannes: leeres Wirken um des Wirkens willen,

Verstandesmäßigkeit, Naturlosigkeit, Trieb- und Instinktschwäche; dagegen die

Schattenseite des Weibes: das Kleben am Besonderen, die Unverständigkeit, das

Unbeherrschte, Trieb- und Instinkthafte („da werden Weiber zu Hyänen“). Die

größere Fähigkeit der Frau zu hypnotischen, somnambulen, schauenden Zu-

ständen gegenüber der größeren Begriffs- und Tatkraft des Mannes beleuchtet

von anderer Seite her dieses Verhältnis aufs deutlichste.

Aus diesen Wesensverschiedenheiten folgt, daß in der Gezweiung zwischen

Mann und Frau durchaus nicht etwa der Mann immer führend ist. Es folgt dar-

aus im Gegenteil ein wechselseitiges Verhältnis, in welchem in einer Hinsicht der

Mann und in der anderen die Frau führend ist. In allem, was Bewußtheit, Ver-

nunft und Tat anlangt, ist der Mann führend, in allem, was auf Natur, Gemüt

und Schauen geht, die Frau. In diesem Sinne verleiht die Frau dem Manne das

Maß, denn sie verhindert, daß seine Tätigkeit in das Endlose und Leere gehe,

daß seine Begriffskraft den Gemüt- und Naturgrund verliere; wie umgekehrt der

Mann dem Weibe jenen äußeren Anlaß gibt, der ihr mehr nach innen gerichtetes

Wesen zur Entfaltung im Handeln und zur Selbstmächtigkeit des Begriffes bringt.

Es ist der Mann, der durch seine Eigenschaften vornehmlich zum Kulturschöpfer

bestimmt ist — aber nicht allein! Darum ist das richtige Wechselverhältnis von

Mann und Frau eine Voraussetzung schöpferischer Kultur.

In Zeiten, die eine in sich vertiefte und geschlossene Kultur haben, wie das

Mittelalter, finden wir auch stets ein wohl gerundetes und natürliches Verhältnis

des Mannes zur Frau. Zeiten der Auflösung, wie die heutigen, verlieren dieses

Verhältnis mehr und mehr. Das leere Machen, das Sich-Verlieren in das Äußer-

liche, das unsere Zeit so sehr kennzeichnet, sowie die Auflösung der Familie

durch berufsmäßige Frauenarbeit wäre nicht so sehr zur Ausbildung gekommen,

hätte der Mann nicht das tiefste Verhältnis zur Frau verloren. Die Frau ver-

männlicht sich und kann das Ziel doch nicht erreichen, der Mann büßt an Natur-

gründigkeit ein und verliert sich in leere Tätigkeit.

b. Rangstellung der Familie

Durch die Verknüpfung so vieler / Leistungen und die Organi-

sierung so mannigfacher geistiger und handelnder Gezweiungen

erlangt die Familie die Bedeutung einer E i n h e i t s e r s c h e i -

n u n g d e r G e s e l l s c h a f t i m k l e i n e n K r e i s e , eines

„Mikrokosmos der nationalen Gesittung“, wie Schäffle treffend

sagte.

Da die Familie eine hervorragende Einheitserscheinung der Ge-

sittung vorstellt, entsteht die Frage ihres Rangverhältnisses, na-

mentlich zum Staate, der ja gleichfalls eine hervorragend zusam-

menfassende Organisation darstellt. Ist Familie vor Staat oder Staat