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vor Familie? Das ist die vielumstrittene Frage. Namentlich katholi-

sche Theologen sind es, die dazu neigen, der Familie den Vorrang

einzuräumen. Notwendig gilt aber: S t a a t i s t v o r F a m i l i e .

Denn die Form der Familie, die Familienverfassung, ist stets schon

der Ausdruck, schon die abhängige Sonderanstalt der Staatsverfas-

sung oder — was dasselbe ist — der Stammesverfassung, des Stam-

meslebens. Daß die umfassende Anstalt (Staat) vor der weniger um-

fassenden (Familie) steht, ist eine logische Notwendigkeit.

Vergebens wird man sich in Geschichte und Völkerkunde nach einem Bei-

spiele für den Vorrang der Familie umsehen. Selbst bei Völkern, die, äußerlich

gesehen, scheinbar fast nur aus einem Nebeneinander von Familien bestehen,

zeigt sich in den Einweihungsfeiern (Initiationen), im Rechtsleben, in gewissen

Wirtschaftsgewohnheiten und dergleichen ein Staatsleben, das, wenn auch oft

nur latent, so doch grundsätzlich ü b e r den Familien steht und diese Familien

bestimmt.

Schon Platon und Aristoteles haben die F a m i l i e a l s d a s U r b i l d d e s

S t a a t e s gefaßt. Dies ist nur richtig in dem oben dargelegten Sinne als „Mikro-

kosmos“, als Einheitserscheinung im kleinen Kreise (wie Platon es auch ver-

stand). Es ist aber nicht richtig im geschichtlichen Sinne. Der S t a a t i s t

g e s c h i c h t l i c h n i e u n d n i r g e n d s a u s d e r F a m i l i e h e r v o r -

g e g a n g e n . Wenn man schon eine geschichtliche Ableitung versuchen wollte

(was aber sinnwidrig ist), so müßte man Staat (im engeren Sinn) und Familie

aus einer stammlichen Gesamtheit, einer Art Horde, ableiten — die eben selbst

schon Staat (im weiteren Sinn) ist.

Geht man aber von dem Wunder der Erschaffung Adams aus, so muß man

das Wunderbare daran festhalten und der nun entstehenden Gemeinschaft die

Staatsordnung anerschaffen denken. (Adam König.)

c.

Neuzeitliche Ersatz- und Hilfsorgane

für die Familie

Diese sind zunächst in der uralten Einrichtung der Vormund-

schaft gegeben, die sich heute vielfach zur „Berufsvormundschaft“

umgestaltet; ferner in der Schule; endlich in der mehr oder weniger

vollständigen Ersatzerziehung, wie sie von der Öffentlichkeit in der

Waisenpflege, Fürsorgeerziehung, Zwangserziehung und zum Teil

im öffentlichen Kinderschutz übernommen wird.

/

Ihre Verrichtungen nicht vollständig erfüllende Formen der Fa-

milie sind: W i l d e E h e (Konkubinat), U n e h e l i c h k e i t

(das heißt dauernde oder vorübergehende Verhältnisse, aus denen

Kinder hervorgehen) und P r o s t i t u t i o n . Hier fehlt dem Ge-

zweiungsverhältnisse und noch mehr der organisatorischen Vorsorge