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In die Familie wächst jeder hinein. Die Erziehung, die sich in
diesem Hineinwachsen vollzieht, ist die wichtigste im gesamten Be-
reiche der Gesellschaft. Die Schaffung planmäßiger Hilfen für jene
Familien, welche ihre eingliedernden Aufgaben nicht erfüllen kön-
nen, z. B. Berufsvormundschaften, / Mütterberatungen, Kindergär-
ten, Aberkennung der elterlichen Sorge und vieles andere ist daher
von großer Wichtigkeit. Ebenso die Erziehung der Mütter und Väter
zu Erziehern, die heute im argen liegt. Je mehr sich die Stände aus-
bilden, um so mehr gehen jene Hilfen und diese Erziehung zu Er-
ziehern auf sie über. Die fürchterliche Schädigung der heutigen, sich
selbst überlassenen Familie wird erst behoben werden, wenn sie wie-
der vom Stande überhöht und dadurch vom Geiste ständischer Ehre
(sowie von metaphysischer Bindung) gestaltet wird.
Die Schule wird im Laufe der ständischen Entwicklung erstens
immer mehr zurückgedrängt, weil die Stände selbst an ihre Stelle
treten, und dadurch zweitens immer mehr differenziert werden.
(Eine allgemeine, den Ständen entzogene Volksschule bleibt aller-
dings bestehen, aber schematische Einheitsvolksschule kann trotz-
dem nicht das Ideal sein.) Aufgabe ist dabei jedoch, den Übergang
aus verschiedenen ständischen Schultypen und Ständen für Hoch-
begabte unbedingt offenzuhalten — ein entscheidender Punkt, an
dem der schlechte Konservatismus durch Kastengeist und Zunftenge
leider soviel gesündigt hat!
In der Wirtschaft (dem mittelbeschaffenden Handeln) geschieht
die Erziehung wesentlich in den Berufständen. Zum Lehrlingswesen
gesellte sich früher der Wanderzwang als lebendiges Eingliederungs-
mittel. Heute haben wir neben dem Lehrlingswesen die schulmäßige
Fachbildung, die aber eng mit dem Stande verbunden ist. Ferner die
Museen, Messen und Märkte, Vorführungen, Fachzeitschriften und
vieles andere.
Darüber hinaus ist die Einführung jeder Erfindung, Bauart, Ar-
beitskunst (Technik), das heißt jede Umgliederungsarbeit zugleich
wirtschaftliche Erziehung. Sonderlehrgänge, Anleitung der Kunden
durch die Verkäufer und Agenten, sogar das Werbewesen (allerdings
zum kleinsten Teile), ferner Wanderlehrer (besonders in der Land-
wirtschaft), Tagungen, Preisverteilungen, Ausstellungen, Reden,
Bücher — sie alle gehören zur wirtschaftlichen Ein- und Umgliede-
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